Verehrte Freundin!
Durch Grimm’s hörte ich indirekt, (denn gesprochen habe ich sie nicht) daß Sie Montag nicht mitkommen wollen. Als Abhaltungsgründe denke ich mir dreierlei. 1.) Die Anwesenheit der englischen Freunde 2.) nicht genügende Vorbereitung des Scholz’schen Stückes. 3.) Das Unbehagen bei fremden Leuten zu übernachten. Ad 1. erlaube ich mir zu bemerken, daß die Freunde nun schon 5 Tage bei Ihnen sind, daß der Tag 24 Stunden hat, und daß sowohl Sie sie, als auch sie Sie einen halben Tag recht gut missen können. Ad 2 denke ich, daß es beim Probieren eines neuen Stückes nicht sowohl auf technisch vollendeten Vortrag, als auf einen ungefähren Gesammteindruck ankommt; wenn Sie wollen, spielen wir Ihnen nur die Orchesterbegleitung vor, oder ich gebe Ihnen unser Theater-Proben Klavier, an welchem stets 2–20 Hämmer fehlen, so daß ein etwaiges Danebengreifen, an welchem ich übrigens zweifle, auf Rechnung des Instrumentes käme. Ad 3 liesse sich Vielerlei sagen. Glauben Sie mir doch, wenn ich Sie versichere, daß die ganze Familie sich jetzt schon darauf freut, Sie eine Nacht beherbergen zu dürfen. Das sind nämlich ganz besondere Menschen. Frau von Pötz ein Mittelding zwischen Frau Pastorn und Frau Nüßlern, die Mädchen tüchtig und gut – doch das habe ich Ihnen Alles schon mündlich gesagt. Uebrigens sind heute 2 Mädchen abgereist, so daß mit Ausnahme eines frischen Lakens keinerlei Umstände nöthig sind. Es wäre mir sehr leid, wenn ich den Leuten Ihr Nicht-Kommen vermelden müsste! Und dem Orchester habe ich Sie auch schon angekündigt! Und meine Thee-Maschine ist blank geputzt! Und Schufterle wird morgen gewaschen und geschoren! – Also, Kommen Sie, kommen Sie!!!
Herzlich grüßend Ihr
Hermann Levi.
Carlsruhe. 16.9.71.
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