23.01.2024

Briefe



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ID: 20898
Geschrieben am: Donnerstag 26.04.1860
 

Liebe Clara,
Den Augenblick bekomme ich Deinen Brief u. habe die größte Freude daß aus dieser verfl. Reise nichts wird.
Es ging mir gar nicht aus dem Kopf u. sonderlich daß ich Dich Gestern wegreisen dachte u. nicht einmal nach Berlin gegangen war, eben doch nicht gehen konnte.
Nun bitte ich Dich aber allen Ernstes u. so herzlich, dringend wie möglich, komme den Sommer hierher. Ich kann doch Einiges thun Dir die Zeit angenehm zu machen, leicht möglich daß Joachim auch kommt.
Habe nicht Angst wenn ich schreibe, ich will |2| möglichst fleißig sein, Du wirst schon gewiß manche andre angenehme Zerstreuung finden die, ohne daß Du es merkst u. willst sich zwischen die Zeit schiebt.
Soll ich Dir beschreiben liebe Clara daß ich die größte Liebe für Dich u. Den der Dich verlaßen hat, habe u ewig haben werde? Wie gern zeigte ich sie Dir!
Ich versichere Dich Du hast kindliches Gemüth genug Dich an m. Frauenchor (Der doch einmal das regelmäßige Vergnügen) zu amüsiren. Er soll bleiben u. Du sollst Dich sehr gemüthlich fühlen u. ganz wohlig.
Denke, ich redete jetzt eine Stunde, Dich zu überreden am Sonntag od. Montag (od. Sonnabend noch lieber[)] herüber zu |3| kommen. Dann sollst Du Dir Alles besehen, der Chor kommt <Mtg> Montag Ab. zusammen u. verläßt uns dann die beste Altistin, deshalb mußt Du’s da hören. Dann laufen wir herum u. denken wo Du wohnen kannst.
Liebe Clara, ich habe so unnütz viel Geld, laß mich die Probereise bezahlen.
Vielleicht kannst Du auch gleich hier bleiben u. Deine Kinder nachkommen <laßen> u. die Sachen in B. von Frl. Werner besorgen lassen.
Maria käme vielleicht gleich mit.
Liebste, strenge Dich aufs Beste an, gleich Morgen herzufahren, es ist doch eine kleine Reise <weiß[?]> was braucht’s da lange Besinnung? Aber den Montag mußt Du durchaus mitgenießen damit Du vom Wichtigsten eine Probe hast, es ist grade Mondschein u. wir grade (1/2 St. vor der Stadt) in einem sonderlich gemüthlichen Hause.
|4| Duette von mir kannst Du auch nur der Tage <noch> (fürs Erste) noch hören, der guten fortgehenden Altistin wegen.
Heute ist Donnerstag, ich flehe l. Cl. daß Du Sonnabend Früh abfährst oder Freitag Abend.
Das Düsseldorfer Musikfest ist höchst unnütz u. willst Du hin, so gehe ich mit u. wir machen (mit J. vielleicht) eine Tour in’s Ahrthal u. dann wenn Dir’s gefällt hierher zurück.
Aber durchaus komme jetzt ein paar Tage um zu besehen u. zu probiren.
Ich würde mich jetzt sehr gern aufmachen u. Morgen Früh bei Dir sein aber ich traue Dir l. Cl. u. denke fest Du entschließest Dich u. fährst Freitag Ab. od. Sonnabend Früh.
Telegraphire u. ich komme Dir etwas entgegen. Gieb mir diesen Beweis |5| Deiner Liebe u. ich will Dir tausend dafür wieder geben.
Sonnabend sei da, bitte ich, weil ich Sonntag Nachm. od. Abend ein paar nette Mädchen vor der Stadt besuchen muß. Bist Du Sonnabend da, so spazierst Du Sonntag einen Moment mit hinaus u. lernst nette Menschen kennen.
Ich möchte noch mal von Vornen anfangen, so herzliche Angst habe ich Du <f> mögest Dich zu lange besinnen. Aber was ist Dir die kleine Reise die doch die Aussicht auf einen mehr od. minder gemüthlichen Sommer zeigt.
Komme also jedenfalls, ich wäre Herzbetrübt, sähe ich Dich nicht Sonnabend.
Das Herzlichste von d. Meinen.
Dein
Johannes.
Kommst Du mit Marie so bist Du m. Gast im Hotel.
Spendire mir doch gleich eine telegraphische Antwort ich warte mit so großem Verlangen.
V. S.
|6| Ich habe die ganzen Tage nichts zu thun u. auch keine Arbeit vor die mich einnimmt. Du kannst natürlich bei mir bleiben u. mit Marie in einem sehr gemüthlichen Hotel, wo Du die angenehmste Dame, die Dich hoch verehrt, findest u. mich zu beliebiger Tageszeit.
Du siehst wohl ich weiß förmlich in Hbg Bescheid, ich lerne es ordentlich erst kennen.
Du kriegst den ganzen Sommer nicht eine Note von mir zu sehen wenn Du Dir nicht Montag ganz reizende neue Minnelieder anhörst.
Ich will dir so viel Liebe zeigen wie Du brauchst u. verlangen kannst.
Ich bekomme Morgen früh eine tel. Depesche u. übermorgen Dich, nicht wahr?

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
695-698

  Standort/Quelle:*) GB-Ob, s: Ms. M. Deneke Mendelssohn c. 1, fols. 16-18
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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