23.01.2024

Briefe



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ID: 20946
Geschrieben am: Donnerstag 30.10.1851
 

Düsseldorf d. 30 Octbr. 1851
Lieber Herr Avé,
recht herzlich hat uns Ihr lieber Brief erfreut, und daß Sie immer so freundlich unserer gedenken. Sie wissen wohl wie gern wir nach Hamburg kommen, und so haben wir uns denn auch jetzt entschlossen Ihrer freundlichen Einladung zu folgen, doch eher als am 14ten Februar oder 13ten März geht es nicht, über einen dieser beiden Tage würden wir uns dann wohl später noch einigen können? oder müssen Sie es jetzt schon bestimmt wissen, so wollen wir den 13ten März festsetzen, vorausgesetzt, daß der Himmel mir im neuen Jahre neue Kräffte schenkt, denn noch im alten Jahre, und zwar Ende November oder Anfang December erwarte ich meine Niederkunft, und eigentlich sollte man wohl gar nicht über die Zeit hinaus denken, |2| und Pläne machen! doch ich denke, der Himmel wird mich ja wohl auch dießmal beschützen, wie so oft schon! – Mit einem eigenen Concerte, das wäre wohl ganz hübsch, doch scheint mir ein Concert mit Orchester (und das müßten wir doch bei einer größeren Aufführung haben) würde zu kostspielig sein, und eine Reise nach Hamburg ist es an und für sich schon immer. Nun, darüber, sowie, was für eine Composition mein Mann im philharmonischen Concerte aufführen könnte, sprechen wir wohl später noch ausführlicher; es fehlt ihm nicht an neuen Sachen – rastlos arbeitet sein Geist immer fort und fort! Sie glauben nicht wie fleißig er ist! in den letztvergangenen Monaten hat er eine Sonate für Clavier und Violine und ein Trio componirt; Beides hat mir herrliche Stunden verschafft, und immer staune ich von neuem, wie in einem Menschen |3| eine solche Fülle von Geist und Herz vereint stecken kann. Ich sage es mir oft, wie ich doch eigentlich das glücklichste Weib <d>bin, das existirt, nicht allein diesen Mann zu besitzen, sondern ihn auch zu verstehen, so ganz bis in sein tiefstes Inneres! oh, glauben Sie mir nur, das, was Sie mir sagen, ich solle ihn pflegen ect. ect. das ist ja längst schon meine Lebens-Aufgabe, ich liebe und verehre ihn ja über Alles, und lebe nur für ihn, und keine Stunde vergeht, wo ich nicht den Himmel bitte ihn mir und mich ihm zu erhalten, damit ich <weiß auch> ihn immer und immer hegen und lieben könne. Was er mir ist, das weiß Niemand in der Welt, nur ich weiß es! –
Sie waren mir gewiß bös, daß ich Ihren lieben Brief im vorigen Winter nicht beantwortet habe, doch war ich in der Zeit gerade außerordentlich beschäfftigt, und in Kürze konnte |4| ich Ihnen gerade über den Gegenstand, den er behandelte, nicht schreiben, daher es denn ganz unterblieb. Nicht wahr, Sie zürnen nicht, Sie wissen ja, wie Sie uns immer der alte liebe Freund sind, auch, wenn wir nicht schreiben.
Recht sehr freuete es uns, daß Ihr kleiner Robert so prächtig gedeiht, <>mein Robert sendet ihm unbekannterweise seine herzlichsten Pathen-Grüße, aber auch <d> an den Papa und die Mama trägt er mir das Schönste auf. Er schriebe Ihnen gern selbst, doch er ist gerade jetzt so beschäfftigt, daß er wirklich die Minuten zusammennehmen muß! das nächste Mal aber schreibt er bestimmt mit. Ein Manuscript folgt hierbei.
Wie geht es meiner lieben Harriet? wie lange hörte ich nichts von ihr! hat sie meinen letzten Brief nicht bekommen, oder zürnt sie mir? Ursache hätte sie wohl dazu, doch vertraue ich ihrem liebevollen Herzen, daß sie mir verzeiht. Wollen sie ihr dieß sagen? bitte! –
|5| Auch möchte ich Sie bitten gelegentlich Falk’s zu sagen, daß ich ihre lieben herzlichen Briefe erhalten habe, jedoch so beschäfftigt bin, daß ich sie jetzt nicht beantworten kann; bitte grüßen Sie sie von mir. Nannette schrieb mir, ich möchte sie Ihnen doch für <das> ein <phl> philharmonisches Concert vorschlagen, doch, Sie kennen ja Nannette eben so gut als ich, und eben so ihre Fähigkeiten! recht betrübend ist es doch, daß ihr der Himmel gerade Das versagt hat, was kein Fleiß und kein Mensch ihr geben kann – das Gemüth! ich fürchte sehr, sie wird nie erreichen, was sie sich verspricht; unter uns gesagt, ich halte Mariane für talent und gefühlvoller, und daß ich sie als Schülerin verloren, thut mir leid.
Wie geht es der armen Frau Schubert? er schrieb neulich meinem Manne aus Newyork, daß er darauf gefaßt sey, sie zu verlieren! ich kanns gar nicht glauben, diese kräftige, blühende Frau so krank! das sollte mich doch sehr schmerzen! wollen Sie auch ihr, wenn Sie Gelegenheit finden meine Grüße sagen lassen, und |6| wie ich mit innigster Theilnahme ihrer gedenke.
Nun aber, lieber Herr Avé, will ich Ihnen Adieu sagen! ich habe geplaudert, will’s Gott, so geschieht es bald mehr, und so seyen Sie sammt Ihrer theueren Frau und Kinder, recht von Herzen gegrüßt – die Kleinen darf ich wohl auch küssen!
Behalten Sie immer ein wenig lieb meinen Robert und mich
Ihre
wahrhaft ergebene
Clara Schumann
An Frl. Parish lege ich eine Zeile bei! Haffner grüßen Sie doch ja von uns.
NB: Mein Robert trägt mir eben auf, Sie zu fragen, ob er Ihnen ein bestimmtes Manuscript versprochen habe? er könne sich nicht genau mehr besinnen. Wollen Sie mir das in Ihrem nächsten, hoffentlich recht baldigen Schreiben mittheilen? dann soll es allsogleich an Sie gelangen.
Nochmals Addio! –

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Avé-Lallemant, Theodor (121)
  Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 24
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Norddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Thomas Synofzik, Ute Scholz und Arend Christiaan Clement / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-034-6
151-155

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6256-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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