Düsseldorf d. 26 Jan. 1852
Lieber Herr Avé,
ich möchte wohl, ich hätte heute eine freudigere Veranlassung Ihnen zu schreiben; leider können wir nicht nach Hamburg kommen, indem durch verschiedene Zufälligkeiten unsere Concerte dahier etwas hinausgerückt sind, so daß mein Mann nicht länger als 8 Tage von hier im März abwesend sein kann. Nun hat Liszt aus Weimar geschrieben, daß er meines Mannes Musik <>zum Manfred von Byron auf der Bühne aufführen will, und das liegt natürlich meinem Manne sehr am Herzen, so daß er dabei sein will, und wir somit alle andere Pläne fahren lassen müssen. Werden Sie uns nun zürnen? gewiß thuen Sie das nicht, <s>Sie sind ein zu treuer Freund! vielleicht macht es sich im nächsten Winter glücklicher, daß wir kommen können, wenn <d>Sie uns dann nämlich noch haben wollen! –
Ich kann wohl sagen, lange habe ich nicht mit heißerer Sehnsucht auf eine Musik geharrt, als auf die zum Manfred, dessen |2| Ouvertüre für mich zu dem Ergreifendsten gehört, was ich kenne! die ganze Musik ist so recht aus innerstem Gemüthe entsprungen. Ach, lieber Herr Avé, was Sie so über meinen geliebten Robert sagen, ist mir ordentlich wie aus der Seele genommen, und doch kennen Sie gerade seine bedeutendsten Sachen, als die 2te und 3te Symphonie, den Faust, Requiem für Mignon, Manfred, der Rose Pilgerfahrt und Manches Andere gar nicht, was mir oft so gar leid thut, denn eben Sie, der Sie ihm mit so liebevoller Theilnahme anhängen, Sie müssten jede Note kennen, und würden gleich mir immer mehr staunen vor diesem Reichthum an Fantasie und Gemüth, sowie der jugendlichen Frische, die z. B. in der Rose Pilgerfarth ganz electrisierend wirkt. Dieß Werk haben wir <g>jetzt hier einstudiert, so lange wir hier sind, haben sie noch Nichts mit solcher Liebe gesungen – am <2> <4>5ten Febr. soll sie aufgeführt werden! kämen Sie doch da hierher, das wäre doch einmal eine rechte Ueberraschung!
|3| Nannette Falk schrieb mir vor längerer Zeit einmal, ob ich nicht bewirken könne, daß Sie einmal im philharmonischen Concerte spiele; ich schrieb ihr noch nicht wieder darauf, jedoch will ich es Ihnen hiermit wenigstens gesagt haben! ich schrieb es Ihnen früher nicht, weil ich mir dachte, Sie haben Sich ja immer für sie interressirt, würden es also gewiß auch hier thuen, wenn Sie sie für der Aufgabe gewachsen hielten, doch <will ich> wollte ich es heute pflichtschuldigst gegen Sie erwähnen. Es ist doch recht traurig mit dem Mädchen, daß ihr der Himmel so gar wenig Gemüth verliehen! ich fürchte, sie erreicht nicht viel; die Krafft wird wohl mit den Jahren kommen, doch Gefühl bezweifle ich – Mariane hat gewiß bei weitem mehr.
Mein Mann läßt Sie recht freundlich grüßen, Ihnen für Ihren lieben Brief danken, und Sie bitten, daß Sie ihm Ihr neues Werk doch schicken möchten, was doch auch für mich von großem Interresse sein muß. Wollen Sie es also schicken, so sollen Sie auch nicht lange auf Antwort warten. |4| Robert hätte Ihnen so gern selbst geschrieben, es ist jetzt aber wieder unmöglich! er ist so außerordentlich fleißig, daß ich ihm die Minuten, wo er nicht arbeitet, durchaus nichts Anderes thuen lasse. Jetzt sitzt er nun wieder in einem Berge von Stimmen zur Rose, die er Alle durchsehen muß, und so drängt Eines das Andere. Sie verzeihen freundlich, wie Sie so oft schon gethan!
Schließlich noch die Bitte: wollen Sie Frl. Parish und Nannette Falk inliegende Briefe gefälligst zukommen lassen.
Ihrer lieben Frau herzlichste Grüße! Robert küßt sein Pathchen, und ich bitte uns immer Ihre Freundschaft zu bewahren.
Wahrhaft ergeben
Ihre
Clara Schumann.
Schön geschrieben habe ich nicht, doch recht von Herzen wie immer an Sie. Haben Sie Nachsicht.