Frankft, den 31. Dez. 85.
Liebste Antonie!
Wie sehr habe ich Ihnen zu danken für Ihren lieben Brief und die rei-zenden Bilderbücher, die wir schon oft mit großem Vergnügen betrachtet haben. Ganz besonders aber freute mich Ihr Brief durch die schöne Stimmung, die überall durchblickt. Ich kann Ihnen nicht sagen, mit wel-cher Wonne ich es lese, wenn Sie von Ihrem Glücke schreiben, und, daß Sie Sich doch entschließen werden hierher zu ziehen, ist die allergrößte |2| Freude, und nun gar, wenn Sie auf die Wiesenau zögen. Es ist nicht Egoismus, wenn ich Ihnen sage, daß dies als die gesündeste Gegend Frankfurts anerkannt ist, z. B. zieht man sie den Häusern an der Prome-nade sehr vor, auch der Bockenheimer und Mainzer Landstraße, wo der Lärm fürchterlich ist.
Wie mag es wohl Ihren lieben Eltern gehen? Ich glaube kaum, daß ich diese in Brüssel sehen werde, denn bei der Hartnäckigkeit meines Armleides kann ich vorläufig nicht an England denken. |3| Ich habe viel zu schreiben und muß mich beschränken auf dies Wenige. Nehmen Sie mit Ihrem lieben Mann die innigsten Wünsche zum neuen Jahr, möge es Ihnen eine glückliche Stunde gewähren, und Sie Alles gut überstehen lassen. Ich glaube, daß Sie später kräftiger sein werden, als bisher. Herr Flintsch hat uns viel erzählt von seinem Besuch bei Ihnen, was Alles mir ein Beweis von Ihrem Glücke erschien, und Sie sehen, liebe Antonie, wie Sie Sich über Sich selbst getäuscht haben, als Sie glaubten, Sie seien von der Natur weder zu einer guten |4| Frau noch Mutter beanlagt. Hier grüßt und wünscht Alles mit mir für Sie herab.
Getreu Ihre
Clara Schumann.
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