Frankfurt a/M d. 7 Juni 94
Liebe Antonie,
Deine theuere Mutter wird indessen meinen Brief erhalten, und daraus gesehen haben daß ich tief betrübt bin, diesem schönen Feste, bei dem mein ganzes Herz gejubelt hätte, nicht beiwohnen zu können! hätten wir es früher gewußt, so hätten wir es sicher eingerichtet, Marie |2| hätte ihre Klasse früher geschlossen, was jetzt nicht mehr möglich war, da die Schüler Alle sich bis Ende dieser Woche hier zu bleiben einge-richtet hatten. Dann habe ich Herzogenberg Anfangs nächster Woche meinen Besuch versprochen (in Heiden) der deshalb früher dahin ging (er hat seinen Sommeraufenthalt dort). Wie sollte ich aber, gesetzt, ich hätte fort gekonnt, in der kurzen Zeit alle die Reisen |3| ermachen mit meinem armen, alten Körper, mit den rheumatischen Zuständen, die mich Tagelang peinigen, so daß ich kaum gehen kann! das geht ja nicht mehr!
wenn ich reise, muß es sehr bedächtig, in kurzen Strecken sein, ach, es war eben Alles so ungünstig, wie möglich, und wird mir mein Mißge-schick sehr die Erinnerung an den schönen Tag trüben. Ich werde aber mit den wärmsten Wünschen bei Euch sein. |4| Gebe der Himmel, daß die Aufregung der theueren Mama nicht schade, ganz zu vermeiden ist sie ja nicht.
Bitte, liebe Antonie sende mir nur Karte (Adresse noch hier), nur ein paar Worte, wie es der Mutter nach dem Festtage ging, und habe Dank für Deinen lieben Brief.
Mit den herzlichsten Grüßen an alle die Deinen
Deine alt ergeb
Clara Schumann.
[Seite 1 über Anrede von fremder Hand] Kufferathes Goldene Hochzeit, in Brüssel gefeiert.
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