23.01.2024

Briefe



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ID: 21719
Geschrieben am: Dienstag 03.09.1889
 

Baden-Baden d. 3 Septbr. 89. 37 Sophienstrasse.
Liebes Fräulein,
glauben Sie nicht an Saumseligkeit meinerseits wenn ich so lange wartete, ehe ich Ihnen aussprach, was ich doch so warm auf dem Herzen trug, wie sehr mich Ihr Beider Besuch erfreut hat. Es waren so gemüthliche Tage, und war es uns recht einsam zu Muthe, als Sie fort waren! – Ich habe Ihnen nun schon wieder für zwei Briefe zu danken, aber, da Mariens Augen noch immer nicht wieder ganz gut sind, ermangele ich eines freundlichen Secretär’s, und da geht es langsam voran mit dem Briefschreiben.
Ich kann mir recht vorstellen, wie hart es Ihnen ankömmt bei dem herrlichen Wetter jetzt wieder in der Stadt zu sein! das ist bitter! –
Wir genießen nun wieder die Zauber Baden’s, aber, die gute Luft von Franzensbad vermissen wir, und dann sind wir doch in der Stadt, und ich empfinde sehr, daß wir das Land diesen Sommer ganz entbehrt haben. Ich möchte mich hier in das Grün vergraben können, ohne Häuser zu
sehen! der Wald, das ist ja freilich wunderbar! neulich fuhren wir nach dem Plättig an einem herrlichen Vormittag, 3 Stunden beinah durch den tiefsten Wald – das haben wir Beide genossen, den Waldesduft mit wahrhaft durstigen Zügen eingesogen. Leider trat uns oben die Prosa des Lebens in der Pension recht contrastirend entgegen, und lockte uns gar nicht, oben zu bleiben.
Hier fanden wir nettes Logie, u. bleiben hierin bis 15 Septbr., dann ziehen wir wohl noch in das Park Hôtel zu meine [sic] Kinder u. Enkel, die Alle am 12ten kommen. Julie wird es wohl schon wissen daß sie Alle hierher reisen. Sehr freut mich Deren gutes Aussehen, wie Sie mir schreiben, und hoffentlich ist sie nun schon wieder ganz im alten Fahrwasser.
Ich schließe mit den wärmsten Grüßen an Sie Beide, die liebe Freundin, welchen Schatz haben Sie an ihr – möge sie Ihnen noch lange rüstig erhalten bleiben.
Getreu Ihre Clara Schumann.

Marie dankt herzlich u. schreibt selbst.
An Julchen schönste Grüße. Ich hoffe sie hat meiner Elise einen recht netten Dankbrief geschrieben? dafür mußte sie Zeit finden.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden Sophienstr.
  Empfänger: Wendt, Mathilde (1688)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 14
Briefwechsel Clara Schumanns mit Mathilde Wendt und Malwine Jungius sowie Gustav Wendt / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-86846-025-4
213ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 7360,17-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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