23.01.2024

Briefe



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ID: 21997
Geschrieben am: Mittwoch 21.11.1855
 

Berlin d. 21 Nov. 1855
Meine liebe Emilie,
was soll ich Dir sagen, damit Du mir nicht mehr zürnst? womit soll ich mich entschuldigen? ich könnte Dir wohl sagen, was wahr, daß ich Deinen Brief vom 3ten Juni erst vier Wochen später, nachdem ich von einer Reise zurückkehrte vorfand, dann aber, was soll ich weiter sagen? es war mir bitter Dir zu schreiben, denn mit meines theueren Roberts Befinden hatte es sich gerade in der Zeit wieder verschlimmert und war ich da gerade in der muthlosesten Stimmung. Leider geht es auch jetzt noch nicht viel besser, und Du siehst mich wieder auf der Wanderung mit schwerem kummervollem Herzen, getrennt von Allem, was mir lieb ist. Doch, es kann nichts helfen, es muß durchgekämpft sein. Ich habe hier mit Joachim |2| Concerte gegeben, gehe jetzt nach Leipzig, Er zurück nach Hannover, und denke zu Weihnachten wieder in Düsseldorf zu sein. Was mich nun aber heute besonders zu Dir führt, ist die Freude Dich vielleicht bald zu sehen. Ich gehe nämlich im Januar nach Prag und Wien, und möchte gar zu gern recht bald wissen, ob Du in Schönau? und wäre dies der Fall, könntest Du zu mir kommen, so lange ich in Wien? in diesem Falle würde ich keine Dame mitnehmen, und mit Dir recht ungestört einige Wochen <bleiben> verleben können. Schreibe mir dies recht bald, und Alles was Euch betrifft. Du mußt nicht denken, daß, weil ich Dir nicht schrieb, ich nicht Deiner gedacht hätte, aber Du glaubst nicht |3| wie ich doch immer und immer beschäfftigt bin, und dann, wenn man nicht Freudiges zu schreiben hat, fehlt Einem auch die Lust dazu. Ich denke meine Mila versteht mich!
Von meinen Kindern kann ich Dir aber Gutes sagen – sie wachsen mir zur Freude heran, aber Trost können sie mir nicht geben für das, was ich, für jetzt wenigstens, an Ihm, den über Alles geliebten und verehrten Manne, verloren.
Vom 1–14 December bin ich in Leipzig, zu Weihnachten in Düsseldorf – am sichersten ist es, Du schreibst dorthin, da sie zu Haus immer wissen, wo ich bin.
Leb wohl, meine liebe Milla, grüße herzlichst die Deinen, und sey umarmt von Deiner
immer getreuen
Clara.
|4| NB.
Ich schriebe Dir so Manches gern noch, doch habe ich durchaus nicht die Zeit jetzt dazu, und, wills Gott, so sehe ich Dich bald, und dann will ich Dir viel erzählen, Freudiges und Trauriges.
Noch Eines: solltest Du nicht in Wien bei mir sein können, so, bitte, schreibe mal Elisen, ob sie vielleicht eine Dame in Wien kennt, die sich entschlösse bei mir 4–5 Wochen zuzubringen, denn dann brächte ich keine Gesellschafterin von hier mit, und sparte die große Reise, auch könnte mir Elise vielleicht wegen einer Privat-Wohnung, womöglich in einer angenehmen Familie (ich brauche nur ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer) einen Rath ertheilen? stehe mir bei, liebe Emilie – glaube mir nur, ich muß recht laborieren, daß ich mich mit meinen sieben Kindern durcharbeite, darum muß ich auch möglichst auf Ersparniß sehen.
Noch einmal innigsten Gruß.
Der Sicherheit halber schreibe ich unfrankirt.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Absendeort: Berlin
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
298ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides; Abschr. (gek.) in Copien-Mappe Marie Sch.
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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