23.01.2024

Briefe



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ID: 22432
Geschrieben am: Mittwoch 29.11.1854
 

Am 29ten Nov. früh.
Meine theuerste Freundin,
So eben empfange ich Ihren zweiten Brief, denken Sie doch immer 24 Stunden nach dem Absenden Ihrer lieben Briefe an mich u. sehen Sie mich mit dem allerseligsten Gesicht sitzen u. jedes Wort recht in mich saugen, zumal das liebe „Du“, das mir noch nie so schön klang, Wenn ichs nur erst von Ihnen hörte!
Ich schreibe Ihnen nach Breslau, hoffen will ich, daß mein Brief Morgen Früh eintrifft, Heute Abend will ich an Sie denken, es wird wohl kein angenehmer Abend; warum ließen Sie Frl. Sch. zurück?
|2| Wollen Sie nicht vergeßen, mir des Quintetts, u. auch des Quartetts wegen zu schreiben? <Mit> Wenn ich das Letztere früh genug erhalte, könnte ich Ihnen die Feiertage etwas angenehmer machen.
Bei Otten war ich Sonntag, <wo> wir sprachen viel über Musik, schwärmten viel bei der Manfred-Partitur. Gespielt habe ich nicht. Sie brauchten mich übrigens an Nichts zu erinnern. Ich vergeße nur Alles, wenn Sie da sind.
In Hannover vergaß ich die Partituren zum Heinrich u. Demetrius, Joachim versprach sie zu schicken u. thuts immer noch nicht.
|3| Gestern sah ich im Theater „Charlotte Ackermann“ von Otto Müller.
Das Schauspiel untersteht sich, besser zu sein als die beliebten der Birch-Pfeiffer etc. Daher war das Haus natürlich wüst u. leer. Daß Charl. sich verlobt, ohne zu wissen, wo <ihr> der Mann bis jetzt sich herum getrieben hat, darüber schilt jeder u. denkt nicht, daß Julie im Shakespeare sich verheirathet, wenn sie ihren Romeo das 2te Mal sieht.
Frl. Agnese konnten Sie wohl nicht aus dem Hrn. Bargiel herausziehen? Ist noch was von ihr zu sehen? Grüßen Sie das noch übrig gebliebene!
Könnten Sie nicht Bargiel’s Violin-Fantasie mit nach Ddf. bringen?
Quittungen von Heins u. dem Stimmer will ich hier beilegen. Hr. Avé hat Ihnen |4| wohl schon das Paquet aus England geschickt?
Schreiben Sie mir doch ja im nächsten Brief wann Sie aus Berlin fahren u. wann Sie in Hannover sind (ungefähr).
Ach, wie freue ich mich auf Weihnacht!
Ich will meinen Brief schließen, damit Sie ihn Morgen früh haben können, so leben Sie denn recht wohl u. denken Sie zuweilen in Liebe meiner.
Ihr
Johannes.
Meine Eltern u. Schwester grüßen herzlichst.
Sie erleben wohl frohe Abende bei der Bettina? Schreiben Sie doch davon u. sagen <Sie> ihr, wie ich Sie verehre.
Auch dem Dichter Herman Grimm.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Breslau

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,15
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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