23.01.2024

Briefe



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ID: 22444
Geschrieben am: Freitag 03.11.1854
 

Theuerste Frau,
Endlich, endlich kommen Sie! Warum kann ich nicht nach Hannover, Sie einen Tag früher zu sehen u. mit Ihnen nach Hbg. zu fahren.
Ich bitte, schreiben Sie mir genau u. bald, mit welchem Zug sie [sic] aus H. fahren u. wann Sie ankommen, damit ichs ja nicht verfehle.
Mit Hrn. Avé habe ich über Privat-Logie u. Hotel gesprochen. Das Letztere wird doch wohl practischer sein; |2| Privat-Logis sind schwer zu finden, zumal für so kurze Zeit, als Sie uns denken zu beglücken. Dann ist die Bedienung im Hotel besser, es ist auch wohl ungenirter im Hotel.
Sie wohnen im Victoria-Hotel im Jungfernstieg, ich behauptete schon in Ddf., Sie hätten daselbst früher gewohnt, sehen Sie, ich habe Recht!
Wird Grimm mitkommen? zum Nachkommen mindestens bereden Sie ihn, meine Eltern laden ihn freundlichst ein, bei ihnen zu wohnen u. mit ihrem Tisch fürlieb zu nehmen, er wird das Essen bei der Hornung in Ddf wohl noch nicht vergessen haben!
|3| Auf Joachim hoffe ich nicht, wie schade, daß man’s nicht darf.
Frl. Schönerstedt meinen besten Dank für die Abschrift des Weimarschen Sonetts. Es ist wohl von Cornelius?
Eine <Annehmlichkeit> Freude kann ich Ihnen hier verschaffen. Sie können Orgel spielen, beim Musikh. Böhme steht eine schottische mit 2 Manualen u. angehängtem (leider) Pedal.
Ich spiele öfter darauf mit großer Wonne.
Ueber Grädener werden Sie sich doch freuen, es ist ein höchst begabter Mann. Eine interessante Sonate für Pf. will ich Ihnen zeigen.
|4| Sein 3tes Streichquartett ist das schönste was ich von ihm kenne. Joachim wird sich unendlich darüber freuen, ich möchte es von ihm hören. Sehr groß ist es gehalten, man sieht ihm das eifrige Studium der letzten Beethovenschen an. Sein Wesen ist mir sehr anziehend, äußerst lebhaft u. erregt, wenn er bis 1 Uhr <hat> Musik gehört hat, sitzt er noch bis nach 3 Uhr in der Kneipe u. wird immer munterer.
Die cis moll Etuden <>waren ihm neu, Sie können denken, wie sie ihn begeistert haben.
Mindestens privatim bei Avé müssen Sie sie uns einmal spielen!
|5| Noch möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß, wenn Sie nicht viel Besuche wünschen, Sie dem Wirth bei Ihrer Ankunft sagen können, Sie wünschten Ihren Namen nicht in die Zeitung oder so:
Frl. Schönerstedt mit Begleitung!
Gestern war hier Kirchenconcert des Berl. Dom-Chors.
Ein schönes Potpourri hatten die Leute zusammengestellt.
Palestrina, Carnazzi, Gabrieli, Abbé Stadler, Lassus, Caldara, Armbrust (Hamb. Organist) Otto Nicolai, Beethoven, Grell, Schüttky, (ein Opernsänger in H.) wechselten angenehm ab.
Das Köstlichste war ein <Orgel>Choral für |6| Orgel, Chor u. obligate Posaune.
Letztere hatte die Melodie u liebliche Figurationen.
Eine orthodoxe Dame sagte mir neulich, sie ginge nicht ins Concert, denn die Kirche würde gar mit Gas erleuchtet, das sei doch gräßlich, gar zu weltlich!
Wenn die gute Dame gewußt hätte, daß wir nicht einmal zu Gottes Ehre gefroren haben, sondern daß die Kirche <gar> geheizt war!
Auf die Bücher, die Sie mir mitbringen, will ich Ihnen nicht meine Vermuthungen mittheilen, damit ich nicht wie in Ddf auf ein ganzes Bett statt auf ein Buch rathe.
Weshalb halte ich Sie eigentlich mit dem vielen Schreiben auf in Hannover wo Sie Besseres zu thun haben?
|7| Sie sind zu einem Concert <8 Ta> in Lübeck eingeladen, 8 Tage nach dem philh. in Hbg. Wird es Ihnen nicht zu viel?
Wenn Sie wieder einen Brief von Ihrem theuren Mann haben werden, wie schön, daß ich dann einmal wieder bei Ihnen bin, ihn gleich nach Ihnen lesen kann, u. Sie beseeligt sehe.
Leben Sie wohl u. schreiben Sie ja früh genug. <Das>Sehr bequem ist der Zug der um 2 Uhr ungefähr aus Hann. fährt, Sie sind dann Abends gegen 9 Uhr in Hbg. Fahren Sie doch Montag um 2 Uhr ab!
Grüßen Sie Joachim, Grimm u. Frl. Schönerst.
Herzlich Ihr
Johannes Brahms.
Hbg. d. Nov. 54.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Hannover
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
225-228

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7, 12
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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