Wertheste Freundin,
Da bin ich nun in Ihrem Vorzimmer, aber wie lange lassen Sie mich warten!
Noch bis Sonnabend früh?
Heute empfing ich Ihren letzten lieben Brief u. erwarte ganz sicher die Anzeige daß wir Sie den Abend erwarten sollten und nun?
Wir sprechen den ganzen Tag von Ihnen u. denken thue ich gar nichts Andres. Geht’s Sonnabend gleich weiter nach Düsseldorf?
|2| Zu schreiben habe ich Ihnen nichts als die herzlichsten Grüße an Sie u. Joachim. Meine Ankunft hier war drollig, ich habe eine neue Kopfbedeckung:
Als ich ausstieg sehe ich mich lange vergebens nach Grimm um, zuletzt zog ich eine Trompete aus der Tasche, die ich mir gekauft, u. tutete, da erkannte mich Grimm, u. lief auf mich zu.
Die Trompete klingt lieblich, verstimmte es u. g klingen scharf, ein dumpfes tiefes Ces brummt mit, auch etwas Contra F!
Jetzt mache ich oft meiner Verzweiflung u. übergroßen Sehnsucht Luft durch diese herrlichen Klänge.
|3| Grimm will noch hierzu schreiben, vielleicht weiß er Vernünftigeres, ich kann vor Ungeduld nicht zum Denken kommen.
Sie müssen mir den Kopf zurecht rücken, er ist ganz aus dem Leim gegangen.
Das letzte Lebewohl also u. den letzten Gruß in die Ferne!
Wenn ich das doch nie mehr zu schreiben brauchte!
Herzlich
Ihr
Johannes.
Hannover Dec. 54.
|4| Innigst verehrte Frau Schumann!
Ich kann nicht umhin, den Worten des Freundes auch meine wärmsten Grüße beizufügen und Ihnen zu sagen, wie freudig ich Alles Schöne und Herrliche in mir miterlebt habe, daß [sic] Sie erfahren – in Berlin und auch von Endenich her; der Himmel wird Alles zum Besten wenden. –
Daß ich Sie jetzt nur einen Augenblick sehen werde, schmerzt mich sehr, – wir harren Ihrer hier sehnsuchtsvoll. Doch dank ich Ihnen, daß Sie mir Johannes einen Tag länger lassen. – Joachim, den Mitkämpfer Ihrer Triumphe, bitte ich recht, recht zu grüßen; – warum entführen Sie ihn mir zu Weihnachten? – Doch ich verdenke es Ihnen nicht – Es grüßt Sie in treuinniger Verehrung
J Grimm –
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