23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22464
Geschrieben am: Samstag 03.02.1855
 

Viel schöne, hohe Fraue, <>
Was habe ich denn so gar Schlimmes geschrieben, daß ich solch betrübenden Brief verdiene, wie Ihren letzten? So viel ich erinnere, hab’ ich nur kurz geschrieben aber ich dachte nicht rücksichtlos. Wollten Sie mir doch nie des Schreibens wegen zürnen, meine liebe Frau Clara, wie oft sagte ich Ihnen, <daß mir> es gelingt mir so selten, recht von Herzen weg meine Gedanken aufs Papier zu setzen.
|2| Es geht mir damit grade, wie mit dem Componieren, Sie wissen, wie selten ich schreibe; ich kann lange Zeit denken u. fühlen ohne daß es mir gelingt, den rechten Ton zu treffen, so warm ich auch sein mag, es fließt eben nicht über, das Herz.
So sitze ich auch oft vor dem Briefbogen, u. möchte Ihnen gern recht tröstend, recht schön schreiben – das ist mir noch nie gelungen, denn mit den Buchstaben kann ich nicht so umgehen wie mit Noten.
Wie war Ihr voriger Brief so lieb!
|3| Mit dem „Umarmen“ hat’s freilich seine guten Wege<n> von Amsterdam bis Ddf. Es ist recht ungefährlich u. höchst sittsam.
Donnerstag war hier Concert; Es war überfüllt denn Helene Berg sang.
Das Abschiedlied („Es ist bestimmt in Gottes Rath“) von Sch. wurde gemacht; zum Schluß machte ein schwedischer Jodler einige Male das größte Furore. Ich liebe das Jodeln nicht sehr hinter Beethoven, Mozart, Händel, Bach, Schumann, Mendelssohn etc.
Doch jodelt Helena wirklich merkwürdig anständig u. nobel, sie leistet das Mögliche im jodeln, man kann ihr Jodeln eigentlich besser vertragen, als |4| das Gekrächze u. Gejubele, was dahinter kömmt (der Chor des lieben Publikums), das habe ich denn auch nicht gehört, ich hatte nämlich kein Freibillet.
Nun habe ich Ihnen manches Wichtigere zu schreiben. <I>An Ihren lieben Mann habe ich Nichts von Ihrer Reise etc. geschrieben. Sie hätten doch auch denken können, daß ich das nicht ohne Ihre besondere Erlaubniß u. ohne Ihnen den Brief gesandt zu haben, thun würde – Sie fragen danach, als ob Sie das nicht so gedacht hätten.
Ich schrieb nur von der Widmung, der lieben, von meinem Besuch u. Bargiels op. 9.
Uebrigens thut mir doch jetzt leid, nicht nach Bonn gefahren zu sein, doch glaubte |5| ich nach Ihren Briefen, Sie hätten darüber dasselbe, wie ich gedacht, daß man sich nämlich hüten muß, die Ärzte zu belästigen etc. – denn, daß eben der Ausspruch Ihres Roberts <eben> nicht so bedeutsam sei, als ich auch zuerst glaubte. Ich wollte nur nach Endenich um Ihnen bälder Nachricht zu verschaffen, daß es wieder besser sei, mehr hoffte ich gleich nicht.
Das Concertstück ist fertig abgeschrieben, auch der Catalog, wie Ihr Mann es wünschte, wenn Sie Ihm also schreiben, wollen Sie mir dann den Brief schicken? dann lege ich den Catalog bei u sende es zusammen nach Endenich.
|6| Mit Klems habe ich gesprochen. – Ach, schon am ersten Tag, als ich hier war, jetzt können Sie zeigen, ob Sie mir Vergessenheit nicht übel nehmen! Er kann Nichts dafür thun, er hat eine<n> Schrift aufgesetzt deshalb, aber d<ie>er Steuerrath wollte nicht unterzeichnen – er erinnert Sie übrigens daran, daß er Sie gebeten, den Flügel von der holländischen Steuerbehörde stempeln zu lassen, haben Sie das gethan? Im vorigen Jahr wurde das so gemacht, sonst müßten die Herren in Rotterdam bezeugen, daß es derselbe Flügel u. Sie dadurch das erlegte Geld wieder bekommen. |7| Noch muß ich Ihnen wegen der Wohnung schreiben. Frl. Leser hat Ihnen wohl geschrieben, daß Hr. Aschenberg Nichts von vierteljähriger Kündigung wissen will, nun denke ich, würden Sie vielleicht oben die beiden Zimmer vermiethen können, u. dadurch jährlich doch über 100 rh einnehmen. Ich meine nämlich, es ist das größte, fast ein zu großes Opfer was Sie bringen wenn Sie die Wohnung aufgeben, ich kann’s mir gar nicht recht denken. Ich habe deshalb mit Hrn. Allgeyer gesprochen, der würde das eine Zimmer nehmen, ich oder Hr. Butkowsky das andre.
Das sind doch erträgliche Miether.
Schreiben Sie mir doch, was Sie dazu meinen. Die Kinder würden unten in ihrem Zimmer auch schlafen müssen.
|8| Mit England finde ichs doch ganz recht daß Sie zugesagt haben, so traurig mir auch der Gedanke ist, Sie so fern wissen zu müssen; Sie wissen nicht, wie unentbehrlich mir Ihre Nähe ist, Sie wissens lange nicht. Ich werde aber in Ddf. bleiben, Sie gehen dann auch wohl etwas ruhiger fort, wenn Sie einen treuen Freund Ihrem Mann so nahe wissen.
Die Camelien blühen herrlich; Eine haben wir Ihnen gepreßt. Sie steht wieder in Roberts Zimmer.
Denken Sie, einmal hatte ich einen Brief an Sie nach Antwerpen addreßirt, zufällig brachte Bertha ihn hin u. mir zurück!
Tausend Dank für die vielen lieben Briefe, die ich von Ihnen bekomme, Sie erfreuen mich hoch dadurch. Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem
Johann.
Canons kann ich jetzt in allen möglichen künstlichen Formen machen, ich bin begierig, wie’s mir nochmal mit den Fugen gehen wird.
Bertha etc. grüßt.
Wenn ich Briefe an Sie öffne, können sie doch noch immer gern geheim sein! Ich thu’s nur, weils sonst verboten u. so auch billiger ist.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Amsterdam
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
291-295

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,28
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.