23.01.2024

Briefe



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ID: 22568
Geschrieben am: Dienstag 30.10.1855
 

Meine Liebe,
Ihr Brief ist gekommen, wie hat er mich <g>erfreut, wenigstens Vieles darin! Daß Sie die Schubert’sche Sinfonie hören sollen, daß Ritmüller u. sein Flügel liebenswürdig sind. Ging’s Ihnen nur besser!
Wie viel schwerer wird mir jedesmal die Trennung von Ihnen, ich habe bis jetzt noch gar nicht vernünftig spielen können als ob ich gar keine Lust, nicht einmal Kraft hätte, so gehts.
Bei Hrn. Marxsen war ich, wo ich mich jedoch bedeutend ärgerte, er ist doch der am wenigst Künstlerische hier.
|2| Avé schwafelt freilich nur, Grädener u. Otten sprechen freilich nur von sich wenn sie von der Kunst sprechen aber Hr. M. kann gar nicht leicht zur Musik kommen sondern bleibt viel früher hängen.
Ich übe jetzt immer bei Heins u. freue mich über die schönen Instrumente.
Das F zu Anfang des Bach’schen Notturnos klingt so wunderschön, wie Sie gar nicht denken u. wie ichs nie auf den Klems’schen Flügeln habe heraus bringen können.
Gestern Abend war ich im Theater wo Joseph aufgeführt wurde.
Traurige Empfindungen hatte ich, als ich da saß u. bedachte welch ächter Tempel der Kunst hier früher war u. wie es jetzt lange von jüdischen Menschen gemißbraucht worden u. jetzt gar |3| verauktionirt worden ist u. vielleicht bald für lange geschlossen wird.
Das Haus war recht leer. Die Vorstellung ziemlich. Ich war jedoch sehr glücklich einmal wieder im Theater zu sitzen u. eine schöne Oper wieder zu hören.
Ihr Concert ist hoffentlich glücklich ausgefallen, schreiben Sie mir doch vor Allem ob es Sie nicht zu sehr angestrengt hat.
Meine Gedanken lassen Sie keinen Augenblick, Sie sehe ich zuerst am Morgen u. zuletzt am Abend.
Wie oft denke ich daran ob Sie wohl kommen zu Ottens Concert, wärs doch so! Und könnten wir nur zwei Abende hier zusammen spazieren gehen!
|4| Ich schicke Ihnen nur kurze Briefe, aber was habe ich Ihnen zu schreiben? Nichts weiter eigentlich als herzinnige Grüße. Erfreut es Sie nicht wenn die oft des Morgens <s> Ihnen kommen?
Meine Eltern u. Geschwister lassen tausendmal grüßen, die sprechen oft genug von Ihnen u. Liebes genug!
Behalten Sie mich recht lieb wie ich Sie.
Ihr
Johannes.
Dienstag d. 31ten <Nov>Oct. 55.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
408ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,63
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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