23.01.2024

Briefe



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ID: 22583
Geschrieben am: Dienstag 04.12.1855
 

Dienstag <2>4ter Dec.
Wie lang scheint mir’s jetzt immer, liebe Clara, bis ich Brief bekomme, täglich warte ich mit Sehnsucht u. so bestimmt daß ich ganz traurig werde, kommt keiner.
Von meiner Bibliothek will ich Ihnen noch, vielleicht zum Schluß erzählen. Ich habe eine Handschrift von Beethoven!! Eine Abschrift der letzten As dur Sonate (110) mit Correcturen u. Titel von Seiner Eignen Hand! Avé gab es mir, der überhaupt wohl viel |2| Handschriften hat, u. von Manchen die ich oben fand, nicht einmal wußte. Eine sehr wahrscheinliche von J. S. Bach, dann Ph. Em. u. Fried. Bach u. Righini (eine längere Partitur.) Er wußte gar nichts davon.
Dann habe ich die 8te Sinfonie von B. in schöner Abschrift u. viele Sachen von J. S. Bach u. Ph. Em. Bach etc.
Bücher habe ich auch große Menge, ich werde Alles durch Buchhändler-Gelegenheit nach Ddf. schicken.
|3| Wie wird’s mit Detmold? Wann schreibe ich wohl u. wann gehe ich wohl hin? Schrieben Sie mir nur einmal bestimmt: „zum 10ten od. 15ten bin ich in Ddf“ dann rennte ich los – so aber kann ich gar nicht vom Fleck.
Gestern war ich bei Avé. Jeden Abend muß ich die symph. Etuden spielen u. Alle sind gleich davon entzückt.
Morgen hat Grädener ein Concert zu leiten worin Genoveva-Ouv., die Cantate im Bach’schen Styl von Gr. etc. u. Lobgesang v. M. B. aufgeführt werden. Sonnabend <führt>kommt |4| im philharm. Concert zur Abwechselung der „Lobgesang[“] von M. B.
Otten hat – unter uns – an Jenny Lind geschrieben, seines 2ten Concerts wegen.
Ich schreibe Ihnen immer von tausend andren Sachen, die mir eigentlich so fern liegen, wenn ich an Sie denke. Ich möchte Ihnen immer nur Liebes sagen, nur die schönsten Grüße senden aber ich kann dazu nicht Worte finden, Sie müßen meine Briefe nur ansehen u. Sich alles Beste einbilden, das darin stehen könnte.
|5| Jedes Wort reut mich, das ich an Sie schreibe u. das nicht von Liebe spricht: Sie haben mich gelehrt u. lehren es mich täglich mehr erkennen u. anstaunen, was Liebe, Zuneigung u. Hingebung ist.
Ich werde selten empfindsam u. nur wenn ich für mich denke[,] beim Schreiben schwindet’s schnell.
Ich möchte Ihnen gern immer rührend schreiben wie innig lieb ich Sie habe u. kann Sie doch nur bitten es aufs Gradewohl zu glauben.
|6| Schreiben Sie mir, ich bitte, recht schleunig u. entschieden, wann Sie wohl nach Ddf od. Hbg kommen würden, ob u. wann ich nach Detmold soll!!
Herzlich grüßen Alle.
Am Herzlichsten
Ihr
Johannes.
Ich bitte Sie, für die Jungen einen kleinen Malkasten zu kaufen, anzupinseln habe ich was.
Für die Mädchen habe ich eine Weltgeschichte gefunden u. ein Buch mit Kinderspielen für die Kleinen.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
436-439

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,75
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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