23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22651
Geschrieben am: Freitag 25.06.1858
 

Herzliebe Clara,
Gewiß bin ich auf’s höchste verwundert u. überrascht plötzlich einen Brief von Dir aus Ddf. zu bekommen.
Da hätte ich lange rathen können wenn m. Ohren geklungen hätten.
Ich denke viel an St. Goarshausen, ich habe manchmal förmlich Sehnsucht nach dem Rhein. Das ist eins der wonnigsten Gefühle für mich, die Sehnsucht, das durchschauert so süß daß Einem ganz ganz wohl wird.
Die Grüße möchte ich bitten zu erwiedern aber mündlich ist das zu spät, |2| thue es schriftlich wenigstens.
Die frischen Epheublätter haben mir gezeigt daß das Grab des theuren Freundes gut gepflegt wird. Du schreibst mir davon u. überhaupt zu wenig wie es allerwärts aussieht. Zu Ddf., bei Nathan, doch das siehst Du erst noch.
Daß Du mir Sachen schicken u. abschreiben willst ist mir eine große Freude.
<Aber> Es würde freilich wohl mehr herauskommen, wenn ich nur eine Stunde selbst herumschnüffeln könnte aber auch so bekomme ich vielleicht Interessantes.
|3| Wenn Hr. Bogler Volkslieder besonders Deutsche hätte die mir unbekannt wären da würde ich Deine Hand bitten sie mir zu bewahren. Schicke mir der Art was Du kannst u. er erlaubt.
Ich habe die Sammlung von Zuccalmaglio u. Kretschmer, also nur andre.
Schreibe aber nicht aufs Gradewohl u. nichts Müsames[sic] u. Weitläufiges ab, ich bitte Dich, ich habe doch mancherlei. Die Geschichte von Forkel habe ich. <> Von Kaiser brauchst Du nichts mitzuschicken wenn es nicht von besondrem Interesse ist.
|4| Geschichte der M. von Becker kenne ich nicht, besaß auch Dein Mann nicht. Brauchst Du aber nicht mitzuschicken.
Gesänge von Eccardt, Schütz etc u. Volkslieder, darum bitte ich.
Sage dem Herrn meinen besten Dank für s. Freundlichkeit (ich habe ja vielleicht das Beste davon.)
Mit meinen Sachen mache doch immer was Dir gefällt, wenn kein Mißbrauch damit geschieht, so laß abschreiben was das Glück hat, den Leuten lieb zu sein.
Ich möchte Dich nur bitten die Leute nicht in einen Enthusiasmus zu versetzen |5| durch Deinen, den sie nachher nicht begreifen.
Du verlangst viel zu schnelle u. feurige Anerkennung des Talents das Dir grade lieb ist.
Die Kunst ist eine Replublik. <Beweist> Das solltest Du mehr zu Deinem Spruch machen. Du bist viel zu aristokratisch. Ich kann Dir das nicht lang ausführen aber mündlich einmal. Mir ist das bei Gelegenheit Henkel u. anders herum bei Grimm scharf aufgefallen.
Weise nicht einem Künstler einen höheren Rang an u verlange nicht von Kleinern sie sollen ihn als |6| Höhern als Consul ansehen. Durch sein Können wird er ein geliebter u. geachteter Bürger der <besag> besagten Replublik aber kein Consul od. Imperator.
Mündlich mehr.
Schreibe mir nun bälder wieder laß mich nicht oft so lange warten wie dieß mal.
Meine Volkl. sieh nur nicht <als> für mehr als die flüchtigsten Studien an sonst würdest Du höchst unbefriedigt sein. Bei Einigen geht Dir aber vielleicht eine Ahnung auf. Du solltest die Begl. bessern! Freier zu machen suchen!
Herzlich Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Wiesbaden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
560ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,103
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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