23.01.2024

Briefe



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ID: 22755
Geschrieben am: Freitag 21.06.1878
 

Juni 78.
Liebste Clara,
Ich komme wohl auch Heute nicht zum Schreiben, will nur m. Dank für Deinen schönen lieben Brief wiederholen. Du magst nur glauben daß ich zu lesen u. zu empfinden weiß<t> was Du schreibst u. empfunden hast.
Wünsche ich bei solcher Gelegenheit doch nur meinen Vater u. Deinen Mann ins Leben zurück u. denke dazu – daß mir wohl von Keinem noch das Scheiden schwer werden wird als von Dir! So magst Du glauben daß ich im Geist hübsch ernsthaft bei Dir war, auch will ich gestehen daß ich mir an schönen Frühlingsmorgen hier |3| aus der Symphonie in Gedanken <schön> vormusiciren ließ u. daß mir das gar nicht ungeeignet schien! Danke dann nochmal Eugenien daß sie mir Gedichte v. Felix abschrieb. Eines habe ich gefaßt, die andern sind für Musik doch nicht geeignet. Da ich denke daß Dich ein Lied v. F. interessirt so schicke ich es u. da ich <etwas[?]> es nicht allein schicken mag lege ich einige andre bei
Dann auch einige Duette, die ich meine mit dem Edward zusammen herauszugeben – schreibe mir was Du dazu meinst u. wie sie Dir (u. auch die Lieder) gefallen.
(Einstweilen bitte um eine Karte daß die Noten angekommen sind.)
Wenn Du willst – u. mir auch gute Recensionen schreibst – schicke ich weiter!
|2| Zeitungen aber lese ich (gar in solcher Zeit) genug, nur grade keine rheinischen so daß ich vom Fest nichts wußte.
Das a moll Concert von Viotti ist meine ganz besondre Schwärmerei u. ich glaube Joachim hat es auch meinetwegen gewählt!
Es ist ein Prachtstück, von einer merkwürdigen Freiheit in der Erfindung als ob er phantasire klingt es u. ist alles meisterhaft gedacht u. gemacht.
Wegen Hbg. schrieb ich Dir u. daß ich für das Mozartsche (oder Mendelssohnsche) Concert bin. Das D moll namentlich nimmt Publikus doch immer noch respektvoll an. Daß die Leute im Allgemeinen die allerbesten Sachen, also Mozartsche Concerte u. obiges Viotti, nicht verstehen u. nicht respektiren – davon lebt unser Einer u. kommt zum Ruhm.
Wenn die Leute eine Ahnung hätten daß sie von uns Tropfenweise dasselbe kriegen das sie dort nach Herzenslust trinken können!
|4| Aber Du darfst Simrock wohl einen guten Absatz à 12 Mk gönnen. Denke nur wie viel Schumannsche Sinfonien er für das Geld hätte kaufen können u. da krigte er eine dauerhafte Unsterblichkeit dazu wovon bei mir keine Rede.
Die Novelletten habe ich nicht hier. Die fraglichen Stellen <haben> können aber natürlich nachher noch gebessert werden wenn die Correktur kommt!
Bist Du im Herbst in Baden dann können wir dies u. mehr wunderschön zusammen arbeiten u. dann zusammen wunderschön in die wunderschönen Wälder fahren mit welcher frohen Aussicht ich mich denn nenne
Dein
Johannes.
Schönste Grüße den Fräuleins, Ihr seid wohl zusammen die 8 Tage da? Laß mich bald etwas u. bald mehr hören!

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Pörtschach
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Baden-Baden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1447-1451

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,166
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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