23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22921
Geschrieben am: Mittwoch 22.02.1893
 

Liebe Clara.
Endlich wieder zu Haus, muß ich Dir doch auch endlich sagen, mit welcher Wonne ich an meine Frankfurter Tage zurück denke. Ich habe nur deswegen die Reise gemacht, u. wie freue ich mich jetzt des Entschlußes! Doch, Du bist dessen so sicher wie ich u. empfindest gewiß herzlich vergnügt, wie dankbar ich Dir für die schönen Tage bin, die mir so ungemein wohl u. gut gethan haben.
|2| Wie die Götter mit uns Menschen umgehen, bleibt ewig ein schauerliches Räthsel. Daß sie Dich aber mit häßlicher Musik plagen, ist doch gar zu sinnlos. „Von anderer Sünde weißt Du nicht“ u. um sie, die Götter u. um sie, die holde Kunst, hast Du’s doch wahrlich nicht verdient! Wie Vielen in unsrer Zeit wäre eine Wollust, was Dir unerträgliche Pein ist! Unser großer Bruckner wäre selig, Deine verhaßten Klänge im Ohr zu haben – wir kriegten sie dann Sonntags als Sinfonie zu hören u. Heyse u. Levi schrieben preisende Epistel!
Nun laß mich Dir noch kurz erzählen wie das Postludium meiner Reise (in Hamburg u. Berlin) grade so hübsch |3| verlief wie das Präludium in Meiningen. Höchst angenehm war mir ein behagliches Stündchen bei Friedchen, wovon diese Dir wohl schon geschrieben hat. Auch sonst war Alles dort erfreulich – am Ende gar das unglaublich niederträchtige Wetter, – etwaige besondere Liebhaberei für die Vaterstadt u. gar etwaiges Heimweh werden durch so ächt Hamburger Wetter gründlich weggespült.
In Berlin sah ich Viele unsrer gemeinsamen Freunde, Bargiel, Herzogenberg Fr. Soldat u. s. w. Johannes Joachim machte der Tage grade endlich sein Doktor-Examen!
Nur Simrock erlebt jetzt sehr traurige u. aufregende Zeit.
|4| Seine älteste Tochter muß sich von ihrem Mann scheiden laßen, ist zudem sehr krank – nur, Du weißst, so eine Geschichte ist immer noch viel verwickelter als man denkt. Dazu ist seine zweite Tochter grade als junge Frau nach Zürich gezogen, so daß auch diese Erfrischung ihm fehlt. Jetzt wiederhole ich nur noch meinen allerschönsten Dank Dir u. Marien, am Sonntag bitte ich auch bei Sommerhoffs herzlich von mir zu grüßen.
Ganz Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2098ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,271
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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