23.01.2024

Briefe



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ID: 23165
Geschrieben am: Dienstag 06.02.1877
 

Düsseldorf, den 6. Februar 1877.
Lieber Johannes,
ich konnte nicht früher zur Antwort auf Deinen Brief kommen – erhielt ihn im Begriff der Abreise, und kam hier die ersten Tage nicht zum Schreiben.
Ich bin, was Hanslick betrifft, sehr erschrocken, denn ich habe nicht gedacht, daß er über die Jahre der Krankheit meines Mannes nur schreiben wolle; dazu hilfreiche Hand zu leisten, würde ich mich nicht entschließen können. Je mehr ich darüber denke, desto weniger kann ich Hanslicks Idee und Deine Bewilligung derselben begreifen. Die Welt kennt Schumann noch lange nicht, wie er in gesunden Tagen war, und nun soll ich zu einer Schilderung seiner kranken Tage meine Einwilligung geben, was, abgesehen von jedem sonstigen Bedenken, doch nur sehr schmerzlich für uns alle sein könnte. Die Krankheit kann ja überhaupt nur unter Ärzten von Interesse sein, und, schriebe man eine Biographie Schumanns, so würde man ja auch da es angemessener und pietätvoller finden, kurz über diese letzte Zeit hinwegzugehen. Ich bin überzeugt, daß, wenn Du ruhig darüber nachdenkst, Du mir beipflichten wirst. Hättest Du mir doch in Leipzig die Sache so klar gemacht wie jetzt, ich befände mich jetzt nicht in der peinlichen Lage Hanslick gegenüber. Ich denke aber, Du wirst ihm das alles vorstellen und begütigen. Ich muß weiter diktieren, da das Schreiben mich zu sehr anstrengt.
Hier fand ich alles in großer Aufregung über Deine Absage, und Bitter soll doppelt alteriert gewesen sein über Deine Zögerung, nachdem er von andrer Seite schon drei Wochen früher gehört hatte, daß Du abschreiben würdest. Man wollte mich veranlassen, Dir noch einiges zu schreiben, doch bat ich Steinmetz, es zu tun, denn Dich etwa noch bewegen zu wollen, wäre eine Verantwortlichkeit, die ich nicht auf mich nehmen kann. Nur das will ich Dir sagen, daß an eine Schule von seiten des Ministeriums nicht mehr gedacht wird, da der Zuschuß nicht, wie erst beantragt war, aus dem Bergischen Schulfonds, sondern aus des Kaisers Schatulle bezahlt werden würde, aber nur wenn Du kämest, für keinen andern. Schöne hat mir das anvertraut, als er mich neulich in dieser Angelegenheit aufsuchte.
Ich schließe heute, damit dies fortkommt, weiteres verspare ich mir bis auf eine ruhige Stunde in Utrecht, wohin ich übermorgen abreise. Ich wohne bei Engelmanns und bleibe bis 16.
So leb’ denn wohl für heute, und sei herzlich gegrüßt von
Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1351ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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