Nizza, den 23. April 1889.
Lieber Johannes,
endlich kann ich Dir sagen, daß wir nun wirklich in Italien sind, und hier mit Herzogenbergs recht gemütlich verkehren, heute sogar mit der lieben Amanda Röntgen Deine 3. Sonate gespielt habe, die mir am Vorabend unserer Abreise noch gedruckt zukam. Leider haben wir seit zwei Tagen kein gutes Wetter, dazu ich eine starke Erkältung, die mich sehr am Gehen hindert. Das Wetterglas steigt aber, und wir wollen morgen nach Monte Carlo, Donnerstag packen, Freitag über die Corniche nach Mentone, von da Pisa und Florenz, wo wir ohngefähr 30. April einzutreffen denken. Wir konnten kein längeres Rundreisebillett als 30 Tage von Chiasso aus bekommen, haben also für Florenz nur 12 Tage! Wir können eben nicht so schnell reisen wie Ihr Herren – die Fahrten bis hierher hatten meinen Rücken so angegriffen, daß ich zwei Tage ruhen mußte. Herrlich liegen Genua und Nizza, das Meer bezaubernd in seiner herrlichen Farbe, die Vegetation – nun, Du kennst ja alles, wohl aber nicht die Riviera? Ich bin nun sehr begierig, ob Du Dich wirklich nach Florenz aufmachst – schreibe mir dorthin poste restante.
Für Deinen letzten Brief meinen Dank – ich wollte Dir erst Bestimmtes mitteilen können, darum schrieb ich nicht früher.
Den armen Herzogenberg finden wir doch sehr verändert, natürlich ist sein Bein ganz steif, aber auch das Genick noch so, daß es ihn beim Sprechen doch sehr stört, weil er den Kopf nicht drehen kann. Er sagt aber, er sei ganz wohl und hoffe, die Steifigkeit im Genick auch nach und nach zu verlieren. Ach, ich kann mich bei seinem Anblick der Trauer nicht erwehren. Die lieben, armen Menschen! – Das weißt Du wohl, daß Woldemar nun förmlich an Herzogenbergs Stelle kam. H. behält nur die Meisterschule, nach Berlin will er doch wieder nächsten Winter.
Nun leb’ wohl, lieber Johannes!
Schreibe bald
Deiner alten Clara.
[Umschlag]
Autriche.
Herrn
Dr Johannes Brahms
Wien IV
4 Carlsgasse.
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