Nicolo Paganini.
1829.
Du düstrer Mann, in Mährchen eingehüllt,
Die vor Dir her sich wundersam gestalten,
Die finstre Stirn von Lorbeern überfüllt,
Beherrscher Du dämonischer Gewalten:
Was willst Du hier mit Deinem heißen Schmerz?
Mit den zerrissnen räthselhaften Klängen?
Mit niegehörten zaubrischen Gesängen?
Mit Deinem schauerlichen wilden Scherz?
Mit Deiner Geige streitenden Accorden?
Was willst Du hier bei uns? Wir sind im Norden;
Uns fließt das Blut gemäßigt in den Adern,
Nur die Vernunft regiert uns Herz u. Hand;
Wir müssen wohl mit Deiner Keckheit hadern,
Denn unsern Richterstuhl ziert der Verstand,
Und sanft umglänzt von reinem Sonnenstrahle,
Sehn wir im Geist die reinen Ideale,
|2| Und legen auch an Dich, Du fremder Mann,
Den wohlgeprüften strengen Maaßstab an.
Da nimmst Du spöttisch Deinen leichten Bogen –
Es ist kein Bogen mehr: ein Zauberstab!
Und wider Willen von Dir fortgezogen,
Schweigt der Verstand, der sich gefangen gab.
Du regst der Seele Tiefen; rufst ein Sehnen
Aus stillem Busen an das Licht hervor;
Wir glauben Dir, wir bringen unsre Thränen –
Da trifft ein Misslaut schneidend unser Ohr.
Du spielst mit uns wie mit den bunten Tönen,
Du ziehst uns an, Du stößest uns zurück,
Und Deine Kunst will uns nicht mehr versöhnen,
Aus Deinen Klängen spricht kein <> heitres Glück.
Gewalt’ge Klagen Deines eignen Lebens
Vernehmen wir aus dieser Meisterschaft;
Du stehst am Ziele jedes ird’schen Strebens,
Doch ohne Freude scheint die Riesenkraft.
|3| So blickt der Wandrer von den schroffen Höhen
In’s Felsenthal, das einst ein Strom zerriß,
Wie wir vor Dir mit bangem Staunen stehen,
Dich hören, unsrer selbst noch ungewiß;
Noch ungewiß, ob wir denn auch erleben,
Was, schon erlebt, uns noch unmöglich scheint?
Und selbst wo Deine Flötentöne beben,
Ahn’ ich den „Geist der immerdar verneint.“
O gebe Dir Apoll der Seele Frieden,
Hygeia nahe Dir, Du kranker Mann;
Die Wonne die Du Tausenden beschieden,
Sie lächle Dich mit frischen Wangen an,
Und von den Blumen, die wir gern Dir streuen,
Mög’ eine blühn, Dich friedlich zu erfreuen.
C v Holtei
Graez in Steiermark 1859.
Dreißig Jahre nachdem ich Paganini gehört, abgeschrieben für Frau Clara, die mich entzückte, als ob ich um dreißig Jahre jünger würde.
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