23.01.2024

Briefe



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ID: 24283
Geschrieben am: Freitag 31.12.1880
 

München 31. Dez. 1880. Arcisstraße 32. I.
Liebste verehrte Frau Schumann
In den letzten Stunden des alten Jahres gedenkt man mit besonderer Liebe an die Menschen, die Einem so recht an’s Herz gewachsen sind, man möchte sich ihnen so recht nahe fühlen – Sie müssen mir daher schon verzeihen, liebste Frau Schumann, daß ich unter der großen Zahl Briefe, die Ihnen morgen tausend Wünsche bringen werden, auch für den Meinigen einen freundlichen Blick verlange. Ihre Güte wird mir dies gewiß nicht versagen, schon aus Mitleid, denn nun bin ich seit vier Wochen Patientin u. wenn es auch besser geht, so stellt |2| mir der Arzt doch die angenehme Aussicht, daß ich unter 5–6 Monaten nicht auf vollständige Heilung rechnen darf; dann werden Sie die Wünsche eines armen kranken Geschöpfes gewiß freundlich aufnehmen. Hätte ich nur die Fähigkeit es Ihnen so recht sagen zu können, welch’ innigen Antheil mein ganzes Ich an Ihnen u. Ihren Kindern nimmt; wie mein Herz nur erfüllt ist von dem einen Wunsch, es möchte Ihnen im neuen Jahre jede Sorge, jeder Schmerz fernbleiben u. auch jegliches körperliche Leiden <verjagen> schwinden. – Jetzt während ich dies schreibe und so gerne möchte, Sie könnten in meinem Herzen selbst Alles das lesen, was an guten Wünschen für Sie darinnen steht, kann ich es gar nicht glauben, daß Sie so weit entfernt sind, denn Sie blicken so lieb und mild auf mich hernieder, Sie stehen so wunderbar ähnlich u. sprechend |3| vor mir, daß ich mir immer wieder erst sagen muß, es ist ja nur ein Bild u. nicht die liebe Frau Schumann selber. – Seien Sie nur nicht böse, daß einer meiner sehnlichsten Wünsche, sich am Weihnachts-Abend so über alles Erwarten erfüllte: als Mittelpunkt der ganzen Christbescherung stand eine Pastell-Skizze von Lenbach, die so ergreifend ähnlich ist, daß ich wie verzaubert davor stand. Namentlich Ihre Augen sind so wunderbar getroffen; man <sieht> glaubt Sie am Klavier sitzen zu sehen so ganz versenkt in ein Schumann’sches Stück, mit einem Wort es ist unbeschreiblich schön u. edel. Hätten Sie meine Freude gesehen u. wie namenlos glücklich mich es macht, ein solches Bild von Ihnen zu besitzen, so würden Sie gewiß auch verzeihen daß mein Mann u. Lenbach sich vereinigten mir diese Freude zu machen. Aber ganz voll wird meine Freude erst sein, wenn ich weiß, daß es Ihnen keine un-|4|angenehme Empfindung ist sich auf diese Weise in meinem Besitz zu wissen. – Ich befürchte nur, daß Sie schon durch Levi davon gehört u. ich wäre doch so gerne die Erste gewesen, die Ihnen davon erzählt. Aber ich bin ihm nicht böse u. finde es begreiflich daß er in seiner wirklich reizenden uneigennützigen Freude über die mir bevorstehende Ueberraschung, Ihnen davon geschrieben. – Es geht ihm jetzt wieder besser u. da nun ein 2. Kapellmeister da ist, wird er sich auch besser schonen können. Wenn Wagner nicht wäre, könnte man sich wirklich des häufigen Verkehrs ganz freuen, d. h. es noch ungetrübter genießen; aber es geht doch viel besser wie wir dachten. – – Mein Mann erlaubt sich ┌mit mir┐ Ihnen ┌Allen┐ die innigsten Grüße u. Wünsche zu senden. Von mir Eugenie Alles Gute u. Liebe u. hoffentlich bringt uns das neue Jahr ein langes Zusammensein.
In treuer Verehrung
Ihre
Mary Fiedler.

  Absender: Fiedler, Mary (450)
  Absendeort: München
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
927-930

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,92
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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