23.01.2024

Briefe



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ID: 24327
Geschrieben am: Freitag 22.02.1856
 

Pest d. 22 Febr. 1856.
Meine Mila,
wie hat Dein Brief mir das Herz schwer gemacht, der Gedanke der Möglichkeit, daß Du mit mir nach London gingest! wohl habe ich schon in Wien daran gedacht gehabt, aber ich glaubte nicht, daß Du Dich entschlössest die Deinigen zu verlassen, und dann nach vieler Berechnung entschloß ich mich, allein nach London zu gehen, und dort eine Gesellsch. zu suchen. Durch Verwendung der Baronin Eichthal, der ich Vieles überhaupt danke, gelang es mir durch einen sehr glücklichen Zufall eine Wohnung bei Zwei Damen, die sehr geachtet, |2| ein kleines Häuschen für sich haben in guter Lage, Wohnung zu finden, und sogar erbot sich die Eine mir Gesellschafterin zu sein. Dieß hatte den Vortheil, daß ich die Reisekosten und dort das Leben dann nur für mich zu bestreiten hatte. Daß mir aber der Gedanke, unter lauter fremden Menschen, Niemanden der mich kennt und liebt zu sein, fürchterlich, kannst Du Dir denken, und kaum, weiß ich noch, wie ich das mit meinem sehnsüchtigem Herzen ertrage. Ich frage Dich nun, liebste Mila, war es Dein Ernst, daß Du Dich, mich zu begleiten entschlössest, so sag es mir noch einmal entschieden, dann schreibe ich nach London, was das Logie für |3| uns Beide mit Kost wöchentlich kostet, und überlege mir dann ob ich es thuen darf, ohne meiner Kasse zu viel zuzumuthen und ohne mir sagen zu müssen, daß ich meinem schwachen Herzen zu viel Opfer gebracht. Kannst Du so schreibe mir noch nach Wien, weil dort meine Beschützerin, mit der ich dann Alles gleich bespreche. Ich gebe Morgen mein zweites Concert, das brillant zu werden scheint, leider faßt der Saal nicht genug Menschen. Das Erste war schon sehr gut; ich hatte großen Beifall ect. Mittwoch d. 27 gebe ich ein drittes Concert, reise den 28ten nach Wien, gebe dort noch ein 6tes (Abschieds) Concert den 2ten März; |4| und reise d. 4ten nach Prag ab. Du kannst mir recht gut noch nach Wien im „Erzherzog Carl“ Weihburggasse schreiben, wenn nicht, so nach Prag, abzugeben bei dem Herrn Director Kittl. Ist Dir’s noch möglich so thue es nach Wien. Noch möchte ich Dich aufmerksam machen, daß ich genauen Erkundigungen nach weiß, daß man, z. B. Du, mit einem schwarzen seidnen Kleide die ganze Saison mitmachen kann; die Garderobe also gar keine Umstände macht.
Verzeihe die furchtbare Schrifft; ich bin aber auf schreckliche Weise beschäfftigt, habe eben gleich Probe zum Quintett Roberts, und (was viel Schuld an meiner Handschrifft) die innere Erregung ist immer so groß!
Leb wohl! den Deinigen herzliche Grüße. Deine
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Pest
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
309f.

  Standort/Quelle:*) A-Wgm Depositum
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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