Dresden, den 3ten Juli 1848.
Lieber Freund,
oft hab’ ich Ihrer in diesen Zeiten gedacht, und daß die erschütternden Ereignisse, wie auf alle, auch auf Ihre Entschlüsse für die Zukunft einwirken möchten! Wien und Berlin, wie Sie selbst sagen, sind keine Stätte für den Musiker jetzt. Hier ist es äußerlich ruhiger; aber der großen allgemeinen Brandung kann doch zuletzt auch das politisch ziemlich träge Dresden nicht widerstehen. Kommen Sie denn zu uns, so finden Sie sicher Zeit und Ruhe zur Arbeit, durch die Vereine, die ich jetzt dirigire, einen <> für Männergesang, und einen ziemlich starken für Chor, auch Gelegenheit, sich musikalisch in Fluß zu erhalten, − von uns sicher ein freundliches Gesicht − freilich aber Verdienst wohl nur gelegentlich zufällig. Sie |2| wissen ja, wie schwer es fällt, als Lehrer festen Fuß zu bekommen. Aber aus Wien gehen Sie doch ja − Sie kennen es nun − und für den guten Musiker sah es ja von jeher dort schlimm, wenn er nicht zugleich etwa Charlatan oder Millionär war. Führe doch die Revolution auch in ihre Musikmägen; aber die Musikzeitung gibt ein schlechtes Exempel − und immer noch schreiben sie über mittelmäßige <> Virtuosen die Blätter voll, − und über die schaffenden Künstler verstehen sie nichts zu sagen. Wahrhaft erbärmlich ist’s! −
Schreiben Sie mir, was ist aus Vesque v. Püttlingen geworden? Und Mortier? Sagt’ ich’s nicht, daß er ein Betrüger ist? Er hat auf Nowakowski’s Letztes nichts erwidert. −
Grüßen Sie, wenn Sie sie sehen, G. Laurencin und Dessauer; dieser beiden erinnere ich mich |3| am liebsten unter den Wiener Musikern.
Von Ihnen freue ich mich zu hören, was Sie gearbeitet haben. Ich, lieber Nottebohm, war gräulich fleißig. Vor acht Tagen gaben wir die Scenen aus Faust und das hat mir Freude gemacht. der Totaleindruck schien mir ein stärkerer als der der Peri − und dies liegt wohl in der großartigern Dichtung. Außerdem ist ein Trio erschienen, von dem ich Ihnen wohl schrieb. Auch die Partituren meiner Streichquartette – ein Geburtstagsgeschenk von Härtel’s – haben mich sehr erfreut. <Endich> Endlich darf ich es Ihnen wohl sagen, daß meine Oper immer mehr anwächst, und daß ich sie mit Hülfe des Himmels doch in diesem Jahr zu beenden hoffe.
Frau und Kinder sind auch wohl. So hab’ ich denn alle Ursache, zufrieden <zu sein> und dankbar zu sein.
Schreiben Sie mir nur bald, was Sie beschließen und sein Sie nur immer meines herzlichen Antheils sicher
Ihres ergebenen
R. Schumann
|4| Herrn Tonkünstler G. Nottebohm
derzeit
in
Wien.
frei
Leopoldstadt, Lilienbrunngasse, Nr. 690, 3 Treppen.
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