23.01.2024

Briefe



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ID: 2545
Geschrieben am: Montag 19.08.1850
 

Hamburg den 19ten Aug 1850.
Lieber Freund!
Nicht wahr, so darf ich Sie doch nennen? – Was sollte ich auch wohl meinem Kinde von seinem Gevatter sagen, wenn der nicht einmal mein Freund ist, dem ich mein Kind, mein Fleisch und Blut, so nahe bringe?
Endlich, endlich kommt der Gevatterbrief, – mein Weib hat mir am 8ten Aug, Abends 11 1/4 Uhr einen tüchtigen Jungen geboren und der soll Robert heißen. – Ich gehe in den schwersten Stunden meines Weibes nicht von ihr, weiß ich doch nicht, ob es nicht ihre letzten sind. O welche Wonne ist in so banger Zeit das erste Schreien des Neugebornen, – wie ich meinen Jungen schreien hörte, da herzte ich erst mein Weib und da dachte ich gleich an Sie. – Und nicht vor Allem gleich an Gott? – O lieber Freund in solchen Stunden fühle ich so recht Gottes Nähe, es ist mir, wie in einem Tempel, mein Denken ist wie ein heiliges Singen, mit mir sangen mein Weib, meine Kinder, mit mir sangen Sie, Ihre liebe Frau, Ihre Kinder, denn an alle diese dachte ich. – Und mein Junge soll Robert heißen, möge er einst ein solcher Robert werden, daß Sie Sich seiner nicht zu schämen brauchen.
Wenn ich Ihnen nicht gleich schrieb, so lag die Ursache meines Säumens in dem Wunsch, Ihnen gleich genau den Tauftag zu schreiben. – Leider kann ich das aber noch nicht, will aber nun nicht noch länger säumen. Die Taufe wird ungefähr Mitte September seyn, ich schreibe Ihnen noch ganz genau den Tag und die Stunde, damit Sie wenigstens mit Ihrem Denken in der Stunde bei uns seyn können, denn Sie selbst bei uns zu sehen, dürfen wir wohl kaum zu hoffen wagen, da Sie dann eben in Düsseldorf angekommen seyn werden. – Wenn Sie dennoch kämen! – Nein, nein, es wäre zu viel verlangt. – Aber den Abend soll eine Ihrer Compositionen bei uns gespielt werden, ich werde einige meiner Freunde bei mir sehen, das Ihnen bekannte Quartett wird darunter seyn. –
Meine Frau, die Sie und Ihre liebe Frau auf das Herzlichste grüßt, befindet sich, soweit es die Umstände erlauben, sehr wohl, auch der kleine Junge gedeiht recht sichtlich. Mögen Sie, oder Ihre Frau mir nicht recht bald genau Ihr Alter, den Tag u das Jahr Ihrer Geburt, Ihren Geburtsort und Ihren vollen Namen schreiben? – Ich könnte mir das zwar Alles aus Notizen über Sie, selbst beantworten, indessen bin ich darinn sehr genau zu seyn gezwungen, wegen der kirchlichen Taufregister.
Wie gerne wäre ich zur Aufführung Ihrer Oper nach Leipzig gekommen, ich konnte es aber wegen meiner Frau nicht, da wir eigentlich die Entbindung viel früher erwartet haben. Dann aber auch war es mir nicht möglich zu reisen, weil ich nun schon seit einem halben Jahr von einem bösen Uebel heimgesucht werde. Es hat sich nämlich eine starke Erkältung auf meine rechte Schulter geworfen, die mir die ärgsten Schmerzen verursacht und leider meinen Arm zu jeder Anstrengung unfähig macht. – Was habe ich nicht schon Alles dagegen gebraucht? – Leider ist es ehe schlimmer als besser geworden. Ich soll nun für lange Zeit eine spanische Fliege auf der Schulter gebrauchen, Gott gebe, daß darnach das Uebel weicht.
|2| Von Ihrem Schwager Bargiel hatte ich vor längerer Zeit einen Brief, ich erwarte einen neuen Brief als Antwort von ihm und werde dann fortfahren, soweit es in meiner Macht steht, seine Wünsche wenn irgend möglich, zu realisiren.
Ihrer Frau bin ich noch immer die Geschichte der Stickerei in der Schreibmappe schuldig. Sonderbar, ich glaubte das Schreiben darüber würde mir leichter werden, nun meine ich wieder das Sprechen sey leichter. – Sagen Sie das Ihrer Frau; <s>So Gott will, kommt doch wohl noch einmal so ein Stündchen, wo so heimliche wundernette Erinnerungen sich traulich und als wie von selbst sich verstehend aussprechen lassen, dann erfährt sie die Geschichte der Stickerei. Eins ist gewiß, daß meine Frau und ich, ihr, in dieser anscheinenden Unbedeutenheit, etwas sehr Werthvolles geschenkt haben. – Wie gerne aber haben wir das gethan, es war uns Beiden so nothwendig, ihr ein Zeichen davon zu geben, wie lieb und werth sie uns ist.
Wann reisen Sie nach Düsseldorf? – Lassen Sie mich doch Ihre Adresse daselbst wissen. Wissen Sie wohl, daß Sie mir noch immer die Erfüllung einer Bettelei schuldig sind? – Bei Ihrer Anwesenheit bat ich Sie um ein Manuskript von Ihnen, – denken Sie wohl noch daran? – Sie versprachen mir damals, ein solches mir zuschicken. Bitte seyn Sie nicht böse über meine Mahnung.
Wie wundergut sind Ihre 4händigen Stücke für große u kleine Kinder! – Und nun Addio! Grüßen Sie herzlich Ihre liebe Frau u auch Ihre Kinder, Gott behüte Sie liebes liebes Menschengesindel. –
Ihr
Theod. Avé Lallemant.
|4| Herrn Doctor Robert Schumann
berühmter Componist
in
Dresden.
frco




  Absender: Avé-Lallemant, Theodor (121)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Dresden
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 24
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Norddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Thomas Synofzik, Ute Scholz und Arend Christiaan Clement / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-034-6
133-136

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 22 Nr. 3987
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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