23.01.2024

Briefe



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ID: 26701
Geschrieben am: Donnerstag 03.09.1846
 

Dresden d. 3 Septbr. 1846
Meine liebe Emilie,
mit Freuden benutze ich die Gelegenheit durch Deinen Schwager, Dir einige Zeilen zu senden, die ich Dir eigentlich schon lange schulde. Ich weiß, Du hast Nachsicht mit mir, daher entschuldige ich mich auch nicht weiter, doch kannst Du glauben, daß ich oft nicht weiß, wo die Zeit hernehmen zu einem Brief, denn vier Kinder nehmen Einem schon Zeit, spielen, componieren will ich auch, dann habe ich Stunden auch, nun kam unsere Reise dazwischen, die 8 Wochen währte, und von der wir erst seit 8 Tagen zurück sind, so ist das immer ein unruhiges Treiben, und jetzt gehen nun schon wieder die Vorbereitungen zur Winterreise an, da giebt es viel zu thuen; für meine Kinder muß ich hier ein Logie suchen, da ich sie einstweilen noch hier lasse, muß den Umzug noch besorgen, – ich könnte Dir eine ganze Seite Besorgungen zeigen, doch das kann Dich weiter nicht interressieren.
Große Freude hat es mir gemacht Elisens Mann kennen zu lernen, der uns sehr liebenswürdig, und recht männlich erschien, ein Mann, der ganz für Elise paßt – ist es nicht so? |2| Seine Bekanntschaft war uns sehr angenehm, und freue ich mich nun doppelt auf die Reise nach Wien, da ich nun weiß, ich werde mich bei Elisen nicht fremd fühlen. Aber daß ich Dich nicht finde, betrübt mich sehr! wir reisen vor Weihnachten erst nach Warschau und nach Weihnachten <oder> nach Wien. Wir hatten längst schon Warschau im Sinn, und so wollen wir denn endlich einmal diese Reise machen. Könntest Du nicht Elisen mit ihrem Mann hierher begleiten, <?> und dann von hier nach Augsburg zurück? das ginge gewiß! wie freut es mich Elise hier zu sehen, <!> wenn sie nur diesen Monat noch kömmt! – Sag mir doch, was das bedeutet? Dein Schwager sagte heute, Elise sey in ihren Hoffnungen betrogen worden – wie ist das zu verstehen? war sie nicht wieder guter Hoffnung? sollte es ihr unrichtig gegangen sein!? –
Eine Bitte, liebe Emilie: ich sprach heute Deinem Schwager davon, daß wir wünschten |3| in Wien eine bleibende Stellung zu erlangen, doch ohne hinzuzufügen, daß wir dies in Wien selbst nicht wissen lassen möchten, da man dann gleich vom Anfang herein Gegner hat; wir wollen erst einige Concerte geben, und dann sehen, wie es sich dort macht, bitte ihn also, Niemand von unserem weiteren Plane zu sagen.
Von meinen Kindern, von den beiden Aeltesten wenigstens wird Dir Dein Schwager erzählen; <und> die andern Beiden sind ganz wohl, der Kleinste ist nun entwöhnt, über seinen Character können wir aber noch nicht einig werden – ich glaube er wird ganz nach Robert.
Das Seebad ist meinem Manne so leidlich bekommen (wir waren in Norderney), doch soll die gute Wirkung immer erst später nachkommen. Ich war während unseres ganzen Aufenthaltes in Norderney unwohl, da ich das Klima dort durchaus nicht vertragen konnte. Jetzt geht’s mir wieder besser, obgleich noch nicht ganz gut.
Elisen sage meine und meines Mannes schönste Grüße, und wie sehr wir uns gefreut, sie an einen so liebenswürdigen und geistvollen Mann verheirathet zu wissen – er scheint mir ein Mann, der sie gewiß recht innig liebt, aber nicht mit seiner Liebe quält. <und>
Du, meine liebste Milla, schreibst mir doch noch einmal in diesem Monat, oder kommst gar Selbst? thätest Du mir doch die Liebe! – Nun Adieu! herzlichsten Kuß
[von] Deiner Clara.
Grüße doch auch Deine liebe Mutter und Lina von mir.
|4| Mlle Emilie List.
in
Wien.
d. Güte.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
203-206

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 23a/b;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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