Leipzig d. 2 Jan. 1857
Fürerst, meine liebe Emilie, alles Glück zum neuen Jahre, möge es ein glückliches für Euch werden. Daß wir uns nun so bald sehen, freut mich innig, obgleich, ich lieber ohne Concert zu Dir käme, denn, wahrhaftig, in München zu spielen habe ich gar keine Lust! jetzt wieder Dein Ausspruch, ich möge ein classisches Programm machen, als ob ich je Andere machte, benimmt mir die Lust. |2| An anderen Orten ist man wenigstens so weit, daß man die Sachen Mendelssohn’s, meines Mannes, zu den classischen rechnet – nun zum wenigsten werde ich gewiß nichts von Lachner spielen! verzeih den Spott, liebe Emilie, es mag aber wirklich traurig in München aussehen! ich kann Dir noch kein Programm schicken, das ist auch noch nicht nöthig. Einstweilen ist es genug, wenn das Concert für d. 17ten im Museum (keinesfalls Odeon) angezeigt wird, vielleicht nur gesagt, daß ich Compositionen von Beethov, Mendelssohn, Chopin, Schumann vortragen werde. Ich bedarf dann |3| außer zweier Gesangnummern und der Quintett-Begleitung nichts. Schreibe mir, ob das Quintett dort zu haben? ich habe es nicht bei mir. Schreibe mir auch, wie die Claviere sind, ob gute dort sind? die sich nicht zu schwer spielen, aber voll und kräftig sind? das ist eine große Hauptsache, habe ich Das nicht, so spiele ich lieber nicht.
Ich schicke Dir den Paß (freilich ein längst abgelaufner, da ich nie Einen auf Reisen brauche) mit, willst Du so gut sein, ihn an Käthchen zu schicken? vielleicht ließe sich in der Zeit zwischen dem 12–17, oder |4| den 19 eine Soiree in Augsburg veranstalten? dort brauche ich nichts als zwei Gesangnummern, keine Instrumentalbegleitung, wenigstens nicht das erste Mal. Wie ist der Billetpreis bei Euch? ich wünsche den höchsten natürlich, der in München gebräuchlich. Billette bringe ich selbst mit.
Briefe an den Hof bringe ich wohl nicht mit, da ich mich nie um Solche bemühe – ich halte das für unwichtig – die Hauptsache ist erst einmal, daß ich gut spiele, gefalle ich, so kommen die Herrschaften dann von selbst, und kommen sie nicht, so gräme ich mich auch nicht, denn ich mache mir gar nichts daraus solchen |5| Leuten, die nichts verstehen, vorzuspielen, im Gegentheil, ich scheue es.
Wir werden wohl manchmal über dergleichen Sachen disputieren, aber hinterher uns doch wieder vertragen.
Willst Du so gut sein, mir nach Hannover meine Fragen beantworten „abzugeben bei dem Herrn Joseph Joachim[“]. Ich bin dort <z> bis zum 11ten – da reise ich nach Leipzig, und d. 12ten zu Euch.
Ich fürchte mich sehr vor der langen Reise wieder allein, ach, gar zu traurig ist’s! –
|6| Leb wohl, habe Dank für alle Deine Bemühungen! grüße die Deinigen und Dich Selbst herzlichst
von
Deiner
Clara.
NB. Ich habe viel mehr Lust gar nicht in München zu spielen, nur Euch zu besuchen, und dann Augsburg, Stuttgard und Karlsruhe mitzunehmen. Ueberlege es wohl, vielleicht ist’s besser so! –
Ich habe gestern mit ungeheurem Beifall hier gespielt! es freut Dich wohl, darum schreibe ich es.