Kreuznach d. 25 Aug 1860
Liebe Emilie,
wie unangenehm es mir war (zum ersten Male in meinem Leben, glaub ich) es neulich zu verschlafen, kann ich Dir nicht beschreiben. Ich hatte eine sehr schlechte Nacht gehabt, und war erst in der Morgendämmerung eingeschlafen; 6 1/2 Uhr wachte ich auf und war desperat! auch die Kinder hatten es Alle verschlafen, weil sie gegen ihre Gewohnheit spät, und von der Parthie ermüdet, zu Bett gegangen waren. Habt Dank, Beide, daß Ihr noch hierher kamet. Ich wollte Dir gleich denselben Tag schreiben, dachte es aber doch sicherer erst |2| Deine Nachricht abzuwarten. Wie leid thut es mir, daß Ihr so scheußliches Wetter habt! ich warte noch immer hier auf eine Aenderung; wozu soll ich fort, wenn’s nicht besser wird? Hätte ich Euch nur etwas länger gehabt! wir haben uns doch kein Stündchen ruhig <gesehen> genossen! –
Vorige Woche hatte ich die Freude, daß Joachim mich ein paar Tage besuchte, wo wir fast den ganzen Tag musicirten; dann machten wir eine kleine Reise von 5 Tagen, nach Heidelberg, Odenwald u. Frankfurth, was recht gemüthlich war. Ich hatte nur Julie mit, also kein Troubel um mich, so daß ich recht ungestört |3| Joachim genoß.
Was Euer freundl Anerbieten wegen Julie oder Elise betrifft, so habe ich mich entschlossen, Julie doch wieder nach Berlin zu schicken, und zu versuchen, ob es mit ihr geht, ohne daß ich sie von ihren Geschwistern trenne, was mir doch recht hart. Für Elise aber hatte ich ein Anerbieten, was sie vorzog, indem es erstlich hier in der Nähe (also auch in meiner, da ich ja im Frühjahr und Sommer immer am Rhein bin) und zweitens der Art war, daß sie mir durch die Annahme Desselben auch pecuniär eine Erleichterung schafft. Du weißt, das war erst nicht meine Absicht, doch da sie selbst es wünscht, |4| und mir auch der Gedanke kam, daß sie sich dann vielleicht doppelt zusammen nimmt, so bin ich darauf eingegangen. Die Frau war meine Schülerin während meines Aufenthaltes, und ist eine liebe einfache Frau; sie wohnt im Walde, hat einen glücklichen Familien-Kreis um sich, und einen sehr gebildeten Hauslehrer, wo Elise auch lernen kann. Dann schicke ich sie alle 4 Wochen nach Köln um dort ein Concert zu hören und <…[?] spielen [?]> bei meinem Bruder zu spielen und Theoriestunde zu nehmen. Kurz – ich will es so einmal versuchen. Honorar erhält sie 200 Thaler – es ist doch so viel, als sie für sich braucht.
|5| Mit Julie aber will ich sehen, wie es geht, und ist es doch nöthig sie auf eine Zeit lang fortzubringen, so frage ich wieder bei Euch an, ob Ihr noch Lust dazu habt.
Nächste Woche denke ich doch wohl fort, vielleicht nach oder bei Bonn zu gehen. Daß Ihr Roberts Grab nicht besucht, that mir doch sehr leid, gerade von so nahe stehenden Freunden! wie viele Freunde bleiben nur deshalb einige Stunden in Bonn. Sagen mochte ich es Euch aber nicht, da es Euch nicht von selbst einfiel.
Stockhausen habe ich noch keinen Ton wieder gehört.
|6| Ueber meine Winterpläne kann ich noch gar nichts sagen; vielleicht komme ich nach München, wenn ich in die Schweiz gehe, ob das aber geschieht weiß ich nicht.
Nun, seyd mir Beide schönstens gegrüßt, habt Dank nochmals für Eueren Besuch, war er auch gar kurz. Schreibe mir doch recht bald wieder wie es Euch im Seebad geht? und ja auch, wann Ihr zurückkehrt, ich denke dann sehen wir uns jedenfalls wieder.
Meine sichere Adresse ist: Bonn, poste restante.
Leb wohl, liebste Mila. Auf baldiges Wiedersehen!
Deine Clara.
|7| Den Kindern Grüße, auch Euch v. Frl. Leser, Nettchen ect. auch von meinen Kindern an Euere.