Baden d. 10 Septbr. 1870.
Liebste Emilie,
da ich in Zweifel bin, ob Ihr Nachricht von Julie erhieltet, so will ich Euch doch mittheilen, daß sie am 31 Aug. Abends 9 Uhr von einem gesunden Knaben glücklich und sehr leicht entbunden wurde. Im Anfang ging es ihr sehr gut, sie nährt auch selbst, aber am dritten Tage bekam sie so heftiges und anhaltendes Milch-Fieber, daß der Doctor sehr besorgt war, jetzt geht es |2| aber wieder besser, nur hat der Doctor sehr strenge Verordnungen gegeben, was namentlich die Ruhe betrifft. Das Kind, schreibt mir Marmorito, gedeiht ganz gut, und scheint Julie genug Nahrung für Dasselbe zu haben. Der Kleine heißt nach ital Gebrauch nach seinem Großvater Eduardo. In dieser Zeit habe ich ’mal wieder so recht das Schmerzliche der großen Entfernung empfunden.
Mein Ferdinand ist nun vor 14 Tagen auch ausgerückt, wir vermuthen ihn in Metz. Du kannst Dir denken, wie in Unruhe ich um ihn bin, denn der Krieg ist gewiß, trotz der unerhörten Siege, noch |3| nicht so bald zu Ende, so daß er immer noch in’s Feld kommen kann. Wenn er nur all die Strapatzen erträgt, nicht etwa krank wird, das wäre schrecklich. Die Nässe ist für die armen Soldaten doch gar entsetzlich. Von Straßburg her hören wir auch immer noch das Schießen. Es ist doch entsetzlich, daß dieser Gouverneur noch erst so viele Opfer fallen läßt, wo er doch weiß, (wenigstens sagt es ein Jeder mit Gewißheit) daß wir Straßburg bekommen. Wie magst Du jetzt in Politik Dich vergraben, Du thust wohl nichts als Zeitungen lesen? ich thue es jetzt etwa eine Stunde täglich, das strengt mich aber schon an, es ist immer so viel Widersprechendes in den Blättern, so oft |4| Dasselbe, und so schrecklich viel Trauriges, was Einen ganz elend macht. Ich habe doch mit den Franzosen auch großes Mitleid, sie waren doch tapfer, aber schlecht geführt, <bes> belogen und betrogen, und, wie mag das jetzt gräßlich in Paris aussehen! –
Ihr habt leider recht kaltes Wetter – haltet Ihr dabei in Tegernsee aus? ich adressire Dieses nur nach Tegernsee, die andere Adresse war so unleserlich, daß ich es für besser halte nichts weiter daraufzusetzen, oder, noch besser ich sende dies nach München.
Hast Du meine Zeilen vom 25ten Aug. erhalten?
Laß mich bald von Euch hören – diesen Monat bleibe ich noch hier; was nachher wird weiß ich noch nicht. In Deutschland wird kaum etwas zu verdienen seyn, ich würde auch sehr gegen mein Gefühl angehen müssen eigne Concerte zu geben. Möglicherweise gehe ich nach Wien.
Treu Deine Clara.
Elise kam am 27ten zurück gerade 2 Tage vor Juliens Entbindung – es war ihr sehr leid! Julie hatte es aber später erwartet.
Herzliche Grüße an Euch Alle. Wie geht es Elisen?
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