Düsseldorf d. 13 Januar 1872.
Liebste Mila!
Du hättest längst von mir gehört, wenn ich Dir eigenhändig hätte schreiben können, so aber konnte ich mich immer nicht entschließen an Dich zu dictiren. Jetzt muß es aber sein, denn warte ich bis ich nach England komme, so ist nicht mehr daran zu denken daß ich Zeit finde. Ich bekam vor einigen Wochen (Anfang vorigen Monat’s) einen so heftigen Rheumatismus im Arme, wie damals in München; dieser ging nun zwar schneller vorüber, jedoch habe ich immer Schmerzen beim Spielen und Schreiben, letzteres aber ermüdet mich fast noch mehr. Gebe nur der Himmel, daß ich die Anstrengungen in England gut durchmache! Mir ist oft recht bange davor.
Ich kann Dir nicht sagen, wie |2| innig mich alle Deine guten Nachrichten erfreut haben und wie sehr mich die Aussicht, die Du mir eröffnest, nächsten Sommer wirklich mal wieder zu mir zu kommen, überrascht hat; ich freue mich aber nicht eher ernstlich darauf, als bis Du mir Tag und Stunde Deiner Ankunft meldest! Will’s Gott so kommt Julie mit Mann und Kindern im Frühjahr nach Baden. Was Du mir schreibst über die Musikzustände in Italien, bist Du sehr im Irrthum! Dorthin passe ich nicht mit meiner Kunst, und, geschieht es nicht um Julie zu sehen, oder Italien mal kennen zu lernen, – als Künstlerin komme ich nie dorthin. Die Nachrichten von Julien lauten immer sehr gut, sie ist überaus glücklich mit ihrem Manne und seelig in ihren Kindern. Schwer fühle ich meine Schuld, daß ich Euch |3| noch nicht mal gedankt habe für Eugenien’s liebevolle Aufnahme. Zu meiner großen Beruhigung geht es ihr seit einigen Wochen sehr viel besser, und Moleschott schrieb mir, ich brauche mich ihrethalben durchaus nicht zu beunruhigen. Aber, Julien’s so oft wiederkehrender, nervöser Husten beunruhigt ihn, weil er meint, es könne ein schlimmer Keim gelegt werden, und er werde Alles thuen, diesen Winter, den Feind zu bannen. Welch eine Beruhigung ist es, Julie in solcher Fürsorge zu wissen! (Schreibt ihr aber ja nie hiervon.)
Ich wußte gar nicht daß Deine Passion für alte Möbel so groß ist! In dieser Liebhaberei begegnen wir uns, nur mit dem Unterschiede, daß Du sie befriedigen kannst, ich nicht! Denn, könnte ich mir auch mal das Eine anschaffen, so paßt doch das Andere nicht dazu, und Marie sagt immer, man |4| müsse Alles in gleichem Style dann haben. Ich habe mir jetzt ein paar Bücherschränke in Ebenholz bestellt, mit Diesen ist man nicht so genirt.
Ich gehe am 26ten nach London,
Adresse: 14 Hyde-Park Gate,
wir wohnen dort wieder bei unsern Freunden.
Schreibe mir, bitte ’mal dorthin, wir bleiben dort doch bis Ostern, vielleicht auch noch etwas länger; im Mai hoffe ich aber sind wir in Baden. Schreibe mir ┌dann┐ auch, wie es mit Deinem Plane steht? Und nun lebe wohl, grüße die liebe Elise sowie Hedi und Lina.
Indem ich schließen will fällt mir ein, daß ich Dir Nichts von Ferdinand und Felix gesagt, und doch gibt es in sofern von ihnen zu erzählen, als Ferd. nun selbständig als Commis in Plaut’s Geschäft mit 1 000 Thlr Gehalt, getreten ist, und Felix Ostern sein Examen macht und nach Heidelberg auf die Universität geht. Dies ist ein großer Abschnitt, und will ich nur wünschen, daß er bald das finde, was das Rechte für ihn ist. Nicht ohne Sorge sehe ich dieser |5| nächsten Zeit entgegen! Der Contrast, sein Leben jetzt in gänzlicher Abhängigkeit zu dem dann, in völliger Freiheit und Ungebundenheit, ist doch enorm groß, und ganz besonders für eine durchaus unpractische Natur.
Unseren armen Ludwig mußte ich mich jetzt, nachdem seine Unheilbarkeit sich herausgestellt, in eine Staatsanstalt bringen lassen, von der man sagt, daß die Kranken sehr gut dort aufgehoben seien.
Den Schluß, meine theuere Emilie muß ich selbst machen.
In treuer Liebe umarmt Dich
Deine
alte
Clara.
|6| P. S.
Deine Frage, ob ich noch nicht Ruhe bedürftig sey müßte ich Dir eigentlich lang und ausführlich beantworten, doch in Kürze nur das, daß, der Ruhe zu pflegen, ich nicht die Mittel besitze – Du mußt nur bedenken, daß ich noch immer für zwei Söhne und zwei Töchter zu sorgen habe, dann aber fühle ich noch immer die Krafft den Ansprüchen <dem[?]> der Kunstwerke, welche ich ausführe, gerecht werden zu können; nicht allein dies, sondern das gänzliche künstlerische Darüberstehen, so daß ich denke, warum soll ich nicht noch ein paar Jahre öffentlich wirken? Fühlte ich das nicht, so könnten allerdings keine Verhältnisse mich bewegen noch öffentlich aufzutreten. Die Zeit wird schnell genug kommen, denn ich ┌fühle mich┐ oft doch recht unwohl. Mündlich hoffentlich ’mal mehr.