Baden-Baden d. 25 Septbr 1872.
Liebe theuere Mila,
ich schrieb Dir auf Deinen lieben Geburtstagbrief nicht früher, weil ich Dir zugleich etwas über meinen nächsten Plan mittheilen wollte, das sich aber immer noch nicht thuen ließ. Fürerst Dank, den Herzlichsten, für Euer Gedenken! wie froh war ich bei dieser Gelegenheit Näheres von Euch zu erfahren, und so viel Gutes! –
|2| Ich will nun gleich darauf kommen was mich die Zeit her viel beschäfftigt hat. Du weißt ich gehe nach Wien, mit Frau Joachim, und hatten wir die Idee in München ein Concert zu geben, nur kam ich noch immer nicht zu dem Entschluß, weil gerade jetzt Levi hinkommt, und Dieser sich einbilden möchte, ich käme seinetwegen! aus diesem Grunde hatte ich schon ’mal 14 Tage den Gedanken ganz aufzugeben, <wobei> ┌womit┐ auch Marie sehr übereinstimmte, Julie aber findet unsere Bedenken nicht stichhaltig, und |3| umsoweniger Bedenken in der Sache, als ja Levi mit Concertarrangements gar nichts zu thuen hat. Vor ein paar Tagen erhielt ich v. d. Joachim Brief (ich hatte ihr von München geschrieben) worin sie sagt, sie würde gern in München singen. Was meinst Du nun – ich traue Dir soviel Gesinnung zu, daß Du unbeachtet Deines eigenen Wunsches, (der ja auch meiner war und mich überhaupt auf den Gedanken dort zu concertiren brachte) mir offen sagst, wie Du in der Sache fühlst? |4| Der Zeitpunct würde sein vom 12–17ten Nov. – den 17ten muß ich in Wien sein! ich hätte es angenehm gefunden hätte man uns z. B. im Odeon engagirt (ich will ’mal sagen d. 12t) und dann hätten wir noch ein Concert gegeben. Wir müßten aber wissen, wieviel solch ein Concert tragen könnte wenn es gut besucht ist? denn nur für eine gute Einnahme könnten wir es unternehmen, da wir sonst zu viel Verlust haben, denn wir geben dafür Anderes auf. Wer besorgt diese Concerte in München? wer hat mit dem Odeon zu thuen? |5| bezahlen sie da anständig? unter 25 Friedrichsd’or (Jedes) nehmen wir kein Engagement an.
Nun, bitte, sage mir Deine Meinung darüber. Ich bin hier noch bis zum 6 Octber.
Unser Julchen reist nun morgen ab! das war ein kummervolles Wiedersehen! wie elend ist sie, und wurde es mit jedem Tage mehr, der Husten peinigt sie Tag und Nacht dazu die ärgsten Schmerzen im Unterleib! das arme Kind, wie thut mir das Herz weh, wenn ich sie nur ansehe! –
|8| Zu meiner großen Beruhigung hat Frau Schlumberger ihr angeboten jetzt nach Paris zu kommen (bis wohin sie ein Bettcoupe haben kann) den ganzen 7ten Monat dort zu bleiben, dann mit ihr nach Mentone zu gehen und dort die Niederkunft abzuwarten und bis zum Frühjahr zu bleiben, damit sie mit dem Husten nicht in die Kälte kommt. Moleschott hat gleich thelegraphirt sie sollen es ja annehmen und nun ist es entschieden. Wäre sie nur erst in Paris! hier kann sie keine Stunde fahren vertragen. Ach, liebste Mila, so ein |9| Kind verheirathet zu wissen, da doch lieber nicht. Der Mann trägt sie zwar auf Händen, und sie liebt ihn auch zärtlich, aber, welche Sorgen aller Art hat sie durchzukämpfen, und Deren ist kein Ende abzusehen. Mündlich ’mal mehr darüber! –
Ich bin ganz enorm beschäfftigt, der Winter vor der Thür, all die Correspondenz wieder und keine Hülfe, denn all meine Kinder haben so viel zu thuen (Felix ist auch seine Ferienzeit hier und arbeitet sehr fleißig). So seyd mir |12| Alle herzlichst gegrüßt! Wie freute ich mich doch, wenn wir uns sähen!
Levi kommt erst zum 15 Octbr nach München, so viel ich weiß – er ist augenblicklich in Italien.
Deinen früheren ┌Brief┐, Liebste, habe ich bekommen, ich hatte aber damals 2 Jahr Tagebuch nachzuholen, und habe da alle Correspondenz vernachlässigt, war auch 5 Wochen in der Schweiz bei gräulichem Wetter, das mir recht einen Querstrich gemacht! – Zu Euerer Tour in’s Hochgebirge wünsche ich Euch nur gutes Wetter – wir heitzen seit 3 Tagen!!!
Leb wohl, meine liebe Emilie.
Getreu Deine Clara.
Die M<>?!!! sie ist eine Schlange!
Julie grüßt Euch Alle herzlichst. Schreiben kann sie gar nicht.
Aus Versehen habe ich den nächsten Bogen doppelt genommen.