23.01.2024

Briefe



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ID: 26873
Geschrieben am: Mittwoch 18.11.1885
 

Frankf. d. 18 Nov. 85.
Liebste Emilie,
Frau Kissel wird an Dich dieser Tage schreiben, sie hat große Lust zu Elise, weil es ihr eine Beruhigung giebt, daß wir Euch so nahe stehen. Sie will außer der Stütze im Haus gern eine Freundin haben, die ’mal ihr, ’mal ihrem Manne Gesellschaft leistet, ihm ab u. zu ’mal etwas vorliest ect. ect. so ohngefähr, was eine |2| Tochter thuen würde. Sie wird Dir selbst schreiben, was sie besonders wünscht. Ich will Dir nun aber im Vertrauen einiges sagen: Frau Kissel ist ein schwerer Character; sie bezaubert die Leute meist bei erster Bekanntschaft, ist aber launisch, und ist es gewiß nicht leicht mit ihr auszukommen. Dennoch glaube ich, Jemand, der klug ist, und den richtigen Tact hat immer gleich zu fühlen, wenn er an-|3|genehm oder nicht angenehm ist, der ihr nicht widerspricht und nicht zu selbständig im Hause verfährt – Frau Kissel will gar nicht gern eine so ganz selbständige Dame, sondern selbst immer die Hausfrau bleiben, – mit ihr fertig werden könnte. Sie sagte mir, sie wolle Dir auch wegen der Bedingungen schreiben, und da gebe ich Dir den Rath Alles fest abzumachen. Ich frug sie heute, was sie darüber denkt, u. |4| sie meinte 100 Mark im Monat und natürlich Alles frei. Das finde ich ganz anständig f. den Anfang, später, äußerte sie, würde sie den Gehalt erhöhen, das wäre für’s erste Jahr. Frau K. ist sehr reich aber in Manchem glaube ich muß man sich doch mit ihr festsetzen, ich würde also an Deiner Stelle 100 M monatlich, freie Reise hierher, u., <behielte> bliebe Elise nicht bei ihr nach der Probezeit freie Rückreise, wenn nicht Elise auf eignen Wunsch zurück geht. |5| Die Probewochen würden in derselben Weise honorirt werden müssen. ┌und nicht zu vergessen die Gehaltserhöhung nach dem┐ ┌ersten Jahre wenn Frau K. zufrieden ist. ┐ Von d. 100 M gehe ja nicht zurück, wie gesagt, sie hat es mir ja schon gesagt, daß sie so viel geben will. Ferner muß Elise ein eignes Zimmer haben. Spielt sie Clavier? was treibt sie wohl sonst? Frau K. meinte nämlich, sie habe doch mit der Wirthschaft nicht den ganzen Tag ausgefüllt, und hoffe sie daß Elise auch andere Interessen für sich habe, womit |6| sie sich beschäfftigen könne – Du siehst, sie verharrt nicht immer auf Elisens Gesellschaft, ist, glaube ich, immer etwas ängstlich um ihre Freiheit.
Nun, wir würden Elise gewiß, wo sie es bedürfte, mit Rath beistehen, wir kennen ja Frau K. so viele Jahre ect. Möglicherweise könnte Elise sich eine angenehme Stellung machen, aber – Klugheit gehört wohl dazu. Ist Elise von Gesundheit kräftig? |7| sie hat in dem Hause viel auf u. ab zu laufen, da es groß ist. Wie alt ist sie? ich wußte es nicht, sagte aber hoch in die Zwanzig, was ihr lieb war, denn eine junge Dame will sie nicht.
Mich sollte es freuen glückte die Sache – für beide Theile wünsche ich es.
Leb wohl, Liebste. Ich habe viel zu thuen, soll eigentlich gar nicht schreiben, wollte |8| Euch aber doch so gern einige Winke geben.
Bitte, vernichte den Brief gleich, es ist mir lieber mit so vertraulichen Mittheilungen.
Von Herzen umarmt Dich Deine alte
Clara.
Noch Eines: viel Vergnügungen giebt es bei K. nicht, die Leute sind Beide alt, u. sehen selten Gesellschaft, aber ab u zu Theater, Concert, ect. das giebt es doch.
[Umschlag]
Fräulein
Emilie List.
in
München.
37 Gartenstrasse
bei
Frau v. Pacher.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
710ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 228
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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