23.01.2024

Briefe



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ID: 26874
Geschrieben am: Dienstag 08.12.1885
 

Frankfurt a/m 8. 12. 85.
Liebste Mila!
Ich kann Dir, leider, wie Du siehst, nicht eigenhändig schreiben, da ich wieder eine fatale Attaque von Neuralgie im Arm habe, aber ich möchte Dir doch gern auf Deinen lieben Brief antworten u. Dir vor Allem sagen, wie es mich freut, für Elise etwas gefunden zu haben. Ihr rechnet mir übrigens ein Verdienst an, das ich nicht habe, Marie war es, die an Elise dachte, u. ich stimmte natürlich mit |2| Freuden bei. Der Platz ist kein leichter, besonders glaube ich, daß es von Elisen’s Seite einiger Klugheit bedürfen wird, sie muß nachgiebig sein, dabei aber dennoch ihre Würde wahren, besonders auch mit feinem Takte manches Schwierige zu umgehen wißen. Natürlich werden wir ihr gern mit Rath beistehen, wo sie dessen bedarf. Ich hoffe doch, es wird gehen, um so eher, als gewiß auch die Töchter von Frau K. Alles thun werden, es Elisen zu erleichtern, denn sie sind sehr froh, daß die Mutter sich endlich entschlossen |3| hat, eine Dame zu sich zu nehmen. Frau Kissel ist eine sehr liebenswürdige, geistig angeregte Frau; was aber vielleicht im täglichen Umgang schwierig sein mag, ist die oft schnell wechselnde Stimmung, sie ist ebenso leicht niedergedrückt als erhoben, u. da gilt es zuweilen wohl etwas zu laviren, besonders bei gedrückter Stimmung das zu finden, was sie wieder ermuthigt. Sie ist mir die liebste Freundin hier, u. wäre es mir eine große Freude, glückte die Sache, um beider Theile halber.
|4| Herzlich freut mich, daß bei Hedi Alles wieder gut geht. – Wir haben jetzt nun große Sorge mit Ferdinand, der recht elend, u. jetzt in einer Anstalt ist, um sich das Morphium wieder abzugewöhnen; dort muß er nun 3–4 Monate bleiben und unabsehbar ist, was dann die Zukunft bringt. Du kannst Dir denken, wie schwer diese Sorge auf uns lastet. Gott sei Dank, hilft uns unsere Thätigkeit, die uns doch viel abzieht, das Schwere <erleichtern> leichter überwinden.
Eine große Freude wird uns jetzt u. erneuert sich fast täglich durch die Anerkennung, die die Briefe finden. Leute, von denen ich es nie gedacht, begeistern sich dafür und erreiche ich vollkommen das, was ich bezweckt, daß die Anhänger Robert’s nun mit seiner Musik auch den Menschen lieben lernen. Ich denke, Du wirst sie mit besonderer Freude lesen, sie werden Dich in unsere Jugendzeit versetzen.
So leb’ denn heute wohl! Wenn Elise hier bleibt, dann wird die liebe Tante wohl endlich auch einmal kommen.
In alter treuer Liebe
Deine Clara.
Grüße an Alle in Eurem Haus!

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
712ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 229
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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