Frankft, den 22. Mai 86.
Meine teuere Emilie,
Ich möchte Dir durch diese Zeilen, (die ich leider dictiren muß,) nur ein Wort meiner innigsten Teilnahme senden. Seit Deiner Nachricht muß ich fortwährend an Dich denken! Wie Einem bei solchen Schrecknissen zu Mute ist, weiß ich ja mehr als irgend ein Mensch, denn ich habe ja ganz Ähnliches erlebt. |2| Du schreibst mir keine Details, und wirst sie mir wohl mündlich noch erzählen. Aber kommt Dir nicht der Gedanke, daß Elise doch in eine Anstalt müßte? Es ist ja unmöglich eine solche Kranke so zu bewachen, wie es in einer Anstalt der Fall ist und ich fürchte, Ihr seid fortwährend dem Entsetzlichsten Preis gegeben. Nun gewiß hast Du mit dem Arzt darüber beraten.
Mit Elise H. hast Du sehr recht, aber ich wäre viel mehr dafür, daß sie in Sprachen Unterricht erteilt, als wieder eine |3| Stellung annimmt, die sich übrigens gar schwer finden läßt. Ich denke mir immer, Elise hätte solche schon vor 10 Jahren suchen sollen, jung lebt man sich ja viel leichter in solche Verhältnisse ein. Nun auch darüber können wir, hoffe ich, im Sommer sprechen. Wir denken Anfang Juli nach Franzensbad zu gehen, Ende Juli wieder auf unseren Obersalzberg, und da kommen wir dann über München.
Teile mir doch mit, wie es Deiner Schwester Elise geht, ob die schreckliche Nacht ihr nicht <d>noch mehr |4| Schaden gebracht hat?
Ach, Ihr Armen, schwer Geprüften, könnte man doch seinen Freunden in solchen Zeiten helfen, aber, wie ohnmächtig ist der Mensch dem Geschick gegenüber!
Wir haben recht viel zu thun jetzt, ich besonders mit Correkturen ohne Ende. Thätigkeit ist mir ja Bedürfnis, zuweilen ist es aber doch etwas Viel, was auf mir lastet.
Von ganzem Herzen umarmt Dich
Deine
Clara.
Grüße an Alle!
Kannst Du nicht selbst schreiben, so bitte doch Elise H. darum.
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