Dresden d. 9ten 7ber 840
Mein liebwerthester Freund! Sind Sie jezt im Stande, ordentlich mein Gekritzel zu lesen? Flimmert es Ihnen nicht stets vor den Augen, oder sehen Sie nicht alle Buchstaben für C od. W an? Ich hoffe, dieses wird, unbeschadet der Wärme Ihres Gefühles, nicht der Fall seyn, daher nehmen Sie sich die Mühe, den herzlichsten Dank für Ihre freundliche Aufnahme zu empfangen, indem ich zugleich das innigste Bedauern beyfüge, durch Briefe zur Beschleunigung meiner Reise getrieben zu werden, die mir unmöglich macht, nochmals nach Leipzig zurückzukehren. Das Liebe u. Gute, welches ich Ihrer vortrefflichen Braut zu sagen u. wünschen mir vornahm, werden Sie wohl in meinem Namen, gewiß nicht mit größerer Theilnahme, ausdrücken, die Wünsche für Ihr beiderseitiges Glück u. Wohlergehen werden v. meiner ganzen Familie auf das Herzlichste u. Wahrhafteste getheilt, ich hoffe Euch lieben Kinder in Wien, was man sagt, recht brüderlich aufnehmen zu können, u. werde wahrscheinlich, damit Clara auch daselbst eine Freundschaft mit einer jungen Frau schließen könne, (wenn Ihr nicht gar zu früh komt,) Euch ein recht solides Exemplar einer ehrlichen muntern Hausfrau vorstellen können, wenn Gott will. –
Trotz der poetischesten Zeit Ihres Lebens, lieber Robert, muß ich Sie mit der Prosa meiner Ergebniße belästigen. Ich |2| habe in Leipzig recht vergnügte Zeit verlebt. Mendelssohn u. David trugen das Meiste dazu bey, Lezteren grüßen Sie auf das Freundlichste. Auch die Rieffel hörte ich spielen, sie wird durch Ihren beiderseitigen Umgang viel lernen, denn nicht unbedeutendes Talent ist vorhanden. Meine Biographie über Lvoff bitte ich, da selbe im Styl zu flüchtig, Etwas zu retouchiren u. davon gefälligst mir 5 Exempl., so wie an Schlesinger in Berlin 2 Ex einschicken zu lassen. Ich habe mit Kistner ein Geschäft gemacht, lassen Sie doch Ihre wunderschönen Lieder für mich beysenden, da ich in der Schnelligkt ihm selbe nicht notirte, wohl aber davon sprach. Auch möchte er ein Exemplar meines bey ihm schon gedruckten Ständchens dem Hh David übergeben, dem ich es versprach.
Hier thut Lipinski Alles Mögliche, stellt mich allen Notabilitäten vor etc. Wenn ich nach Wien komme, so will ich Carlo kategorisch bewegen, Ihnen regelmässig zu berichten, wenn nicht, so associire ich mich mit Jemanden, der meine Ansichten gehörig notirt u. in Form bringt, damit über unsere musick. Begebniße doch mehr zu Ihrer Kunde gelange. Wir geben heuer als Musickfest Händels Timotheus (Alexandersfest), worüber als Beginn der Saison die üblichen Details folgen werden. –
|3| Ich werde wahrscheinlich aus Zeitmangel nicht einmal Serres besuchen können, das unfreundliche Wetter engagirt mich nicht nach Maxen zu fahren. Mit Lipinski habe ich gestern die 6 Bachischen Sonaten gespielt, er faßt selbe grandios auf.
Morlachi ist nicht unbedeutend krank, daher konnte ich ihm nicht meine Aufwartung machen.
Nun noch eine Bitte: Suchen Sie doch trotz der ausschließenden Occupation Ihres Herzens durch Ihr liebenswürdiges Bräutchen, einige Winkelchen für Ihre Freunde sich zu reserviren und zählet mich Beyde <als> unter die Theilnehmendsten u. Herzlich-Gesinntesten, erinnert Euch daher mitten in Eurem Glücke zuweilen an
Eueren treuen Fischhof
Dresden 9/9 840
|4| Sr Wohlgeboren
Herrn Dr Robert Schumann
Redacteur der neuen musick. Zeitschrift
Leipzig