23.01.2024

Briefe



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ID: 5419
Geschrieben am: Mittwoch 13.07.1842
 

Bruck, Landgerichts Hof in Oberfranken,
den 13 Juli 1842.
Ew Wohlgeboren
verzeihen gütigst, daß ich es wage, Sie mit einem Briefe zu beschweren. Seit einigen Jahren habe ich mich sorgfältig auf das Studium der Musik, namentlich auf Orgel u Klavierspiel und auf Kontrapunkt verlegt. Durch ein mühevolles Selbststudium gelangte ich zwar bis zu dem Punkte, mehrere Werke im strengen Style dem Druck übergeben zu können, die von mehreren Kunstkennern gebührend anerkannt worden sind; allein ich sehe recht wohl ein, daß man auch bei dem besten Willen und der größten Anstrengung nicht zu der |2| Gediegenheit kommt die man unter der Leitung eines erfahrnen Mannes erreichen könnte. Deshalb möchte ich noch einige Zeit lang tüchtige und erfahrene Männer aufsuchen, um mich hie und da noch mehr auszubilden. Diesem Vorhaben entsprechen wieder meine Verhältnisse nicht, indem ich dazu nichts in Händen habe, von meinem Vater nichts verlangen kann und nicht weiß, ob ich irgend wo eine Unterstützung erlangen werde. Und so lebe ich denn immer in einer unbeschreiblichen Angst und Qual, nirgends finde ich eine Quelle, mein blutendes Herz abzukühlen und zu erfrischen. O, und in diesem nagenden Kummer wende ich mich an Ew Wohlgeboren, richte ich mein nasses Auge Einem Manne zu, der von dem Schöpfer so glücklich begabt worden ist, auf mein Flehen lindernden Balsam mir geben zu können. Ich will es kurz sagen: Inständigst bitte ich Sie, mir in solchen Verhältnissen einen guten Rath zu ertheilen und mir nicht zu verschweigen, welche Meinung Sie von anliegender Fantasie für’s Fortepiano haben, bei der ich wohl nicht auf herrschenden Zeitgeschmack sah, sondern mehr strenger und einfacher die Sätze dahinfließen ließ.
Mein neuestes Werkchen ist: „100 Orgelstücke“ welches ich schon vor einigen Monaten H. Schubert in Leipzig überreicht habe. Derselbe hat es zwar über<d>nommen, aber seit dieser Zeit noch nichts hören lassen.
|3| Da ich dieses nicht habe, so sende ich Ihnen zur Rechtfertigung meines Wunsches ein Manuscript vom vorigen Jahre.
Mein Alter 19 1/2 Jahr.
Indem ich auf das Wohlwollen Eines Mannes ersten Ranges unter den Künstlern rechne, hoffe ich auf recht baldige Erfüllung meiner gehorsamen Bitte, die sicherlich Verzeihung finden wird, in dem es gilt, ein zerschlagenes Herz zu beruhigen.
Ich habe die Ehre mit ausgezeichneter Hochachtung zu sein
Ew. Wohlgeboren
ganz gehorsamer
J. Gg. Herzog.

  Absender: Herzog, Johann Georg (690)
  Absendeort: Bruck
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 26
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Süddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka, Thomas Synofzik, Eva Katharina Klein und Michael Beiche / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-051-3
365ff.

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 13 Nr. 2290
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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