Lieber Herzensbruder!
Spät, aber nicht minder herzlich und wohlgemeint statte ich Dir und Deinem lieben Weibe meinen Glückwunsch ab. Gott gebe daß euer Glück recht dauernd seyn möge, Ihr habt nun einander, habt Euch immer und nie verliere Eins sich selber. Daß ich Euch gern einmal in Eurer Häuslichkeit aufsuchte darfst Du mir glauben, und so sobald ich nur etwas aus meinem jetzigen übermäßigen Arbeiten und Sorgen heraus bin wird es geschehen, ich hoffe und bitte aber, daß dein liebes Weib mir noch nach wie vor gestattet: sie Clara nennen zu dürfen, denn gar zu viele schöne Erinnerungen (aus einer Zeit die bei allem äußeren Elend für mich des Schönen und Erhabenen so viel hatte – knüpfen sich an diesen Namen und ach! was bleibt uns am Ende als die Erinnerung entschwundner Freuden in Unglückstagen?, Gott bewahr Euch Beide davor daß Ihr Wahrheit dieses Ausspruchs nie an Euch selber erfahret. Die Nummern von Ost u West werd ich Dir senden so wie ich sie erhalte. Meser sendet sie mir nur immer so schändlich spät. Du fragst ob ich Deine Myrthen kennen lernen will? na freilich und Du bist überhaupt etwas dumm daß Du mir nicht alles sendest was von Dir herauskommt. Ich gäbe nun so gern einmal eine Totalübersicht alles dessen was Du bisher herausgabst von Deinen Papillotten an (das erste was ich von Dir kennen lernte bis auf die Myrthen – Allein hier in Dresden ist es mir unmöglich alles zusammen zu bringen und ordentlich durchzugehen, denn kaufen kann ichs nicht und die Musikalienhändler überlassen es einem nicht solange als Noth zur Ansicht, über Deine ersten Lieder hab ich nur nach der ersten Durchsicht Deines Manuscripts in Leipzig die paar Worte in Ost und West schreiben können, da mußte natürlich vieles unerwähnt und mangelhaft bleiben, Claras Compositionen hab ich nun vollends ganz und gar aus dem Gesichte verloren, das ist aber wirklich nichtswürdig denn ich glaube euch Beide verstehen zu können. Sende mir also und bald was Du besprochen wünschest und ich werde in der AbendzeitungII ausführlich alles besprechen, u auch in andern honetten Blättern.
Inliegenden Brief von Nina Sonntag gieb gütigst an Felix und verwende Dich so gut Du kannst damit das Mädchen einmal zur Probe singt. Lebe wohl Lieber! Laß bald von Dir hören, Deinem Weibchen sage nochmals meine besten Grüße, ich küßte ihr die Hand und Du bleibe treugesinnt
Deinem
J. P. Lyser
Dresden d 15/10 1840.
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