London d. 13 Jan. 1867
Lieber, verehrter Freund,
ich hatte solch ’ne Freude über Ihren lieben Brief neulich, daß ich gar zu gern mich gleich hingesetzt und gedankt hätte, aber es stürmte so viel auf mich ein diese letzte Zeit, (umsomehr, als ich vor jeder größeren Reise immer gern Alles ordne), daß mir keine Möglichkeit wurde. Wir sind nun gestern, freilich nach sehr anstrengender Reise, Schneegestöber auf der Ueberfahrt, und furchtbarer Kälte, hier angelangt, und ich benutze den ersten Morgen heute, Ihnen wenigstens einen innigen Dankesgruß und meine herzlichsten Wünsche zum neuen Jahr zu senden. Ich denke, Sie haben in diesem Jahre für alle Folgenden ausgehalten, hoffe es wenigstens. Moritz und Sarah Lazarus sowie Nahida Ruth Lazarus
Was Sie mir über das Concert und die Symphonie gesagt, hat mich innig erfreut, und gewiß haben Sie sehr recht mit dem, was Sie über Letztere sagten – ich habe so oft bei wirklich schönen,vollendeten Sachen, sowohl in jeder anderen Kunst als auch in der Musik, dies Gefühl höchster Rührung empfunden, und gerade auch bei den Compositionen meines Mannes so häufig. Wenn der Eindruck auf einen Laien in der Musik so ist, wie muß Einen das freuen, und doch habe ich schon oft bemerkt, daß der kunstsinnige Laie unmittelbarer in sich aufnimmt, als der kritisirende Kenner. Ich möchte lieber mit Ihnen darüber sprechen können, als schreiben solch ’nem Gelehrten gegenüber, wo Einem jedes Wort ungeschickt vorkömmt, was sich verliert, sieht man dem Gelehrten in’s milde Antlitz! – Als meinen Freund will ich Ihnen denn auch auf Ihre Fragen gestehen, daß ich selbst an jenem Abend zufrieden mit mir war, und das will allerdings viel sagen, denn ich selbst bin mein strengster Kritiker. Es kömmt Besuch, und dann habe ich Proben, kurz, ich muß Ihnen Adieu sagen, so unlieb es mir auch ist. – Später theile ich Ihnen ’mal wieder von meinen Erlebnissen mit, für jetzt bin ich leider erst am Anfange meiner Reise. Morgen gehen wir nach Edinburgh und von Ort zu Ort bis Mitte Febr. wo ich hoffe ruhig hier zu bleiben, d. h., wenigstens nicht kreuz und quer zu fahren.
Ihrer lieben Frau sagen Sie das Schönste von mir, und lassen Sie sich noch die Hand drücken mit dem ganzen Herzen mit dem ich für alle Zeit bin
Ihre
Ihnen treu ergeb
Clara Schumann.
Bitte gütigst inliegendes Briefchen in ein Couvert zu stecken und per Stadtporto an „Ferdinand Schumann, Oberwallstraße Nro 4 bei Herrn H. C. Plauth“ zu senden – es enthält unsere erste Nachricht.
Der lieben Frau meinen Dank für ihre herzlichen Zeilen – ich hoffe, sie ist jetzt wieder ganz wohl.