23.01.2024

Briefe



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ID: 7544
Geschrieben am: Sonntag 28.05.1871
 

Baden d. 28 Mai 1871.
Lieber, verehrter Freund,
wie sehr erschreckt war ich über die Nachricht von Ihrer theuren Frau Krankheit! und Sie konnten nicht ’mal bei ihr sein! innigst drücke ich Ihnen die Hand, daß Sie mir so freundschaftlich Alles schreiben, trotzdem Ihre Zeit so kostbar. Ich bitte nun aber nicht Sie, sondern Ihre Frau um wenige Worte nur, wie es ihr geht, und ob ich sie mir vom 10ten an wirklich in Nauheim denken kann? oder warten Sie am Ende doch den Einzug der Truppen ab? wir möchten Alle dabei sein können, wäre es nur nicht gar so weit! unser Ferdinand kommt dann wohl auch mit, da er in dem 2ten Garde Regiment ist. Wie froh wir wären! Ich mußte, verschiedener Umstände halber, meine Abreise in die Schweiz schon auf den 7ten Juli festsetzen, weiß aber nicht ob Scheideck (auf Kaltbad gehe ich nicht wieder, die geputzten Leute, die Blechmusik und Kinderbälle sind mir zu widerlich) oder Moritz? die Pension ist in Moritz nur Weniges theurer, aber die Reise so viel kostspieliger, und umsomehr, als ich noch Eugenie und Felix mitnehmen will, wir also 4 Personen sind. Eugenie ist bleichsüchtig (obgleich besser als es im Winter war)und Felix jetzt Ober-Primaner geworden, wobei er sich sehr angestrengt hat; ihm ist gewiß eine Nervenstärkung von großem Nutzen. Ich habe wohl eine Weile geschwankt, was ich thuen solle, ob es ein Unrecht ist in meinen Verhältnissen solch eine Ausgabe zu machen, aber schließlich sagte ich mir, was man für Gesundheit, Körper und Geistes-Erfrischung seinen Kindern angedeihen läßt, ist hochverzinstes Kapital, und ich möchte wissen, ob Sie mir darin Recht geben, oder ob meine Anschauung, vielleicht zu sehr den Muttersorgen entsprungen, doch etwas gegen die Vernunft streitet? Ich denke so oft darüber nach, wenn Leute mir sagen, ich verwöhne meine Kinder, aber mein Herz beschwichtigt dann immer die Scrupel! einfach sind sie ja Alle, und mein Streben nur immer das, sie ihre Jugend und ihr Leben überhaupt genießen zu lassen und namentlich Alles was auf ihr Gemüt und Geist wohlthuend oder fördernd einwirken kann. Des Lebens Ernst kommt ja noch immer früh genug, und traf sie ja schon in frühester Kindheit! – Ich muß ’mal mit Ihnen über dies Thema und so Manches sich daran knüpfende, was jetzt zu sehr Ihre Zeit in Anspruch nehmen würde, schriebe ich es Ihnen, sprechen. Es würde mir wohlthuen, eines Freundes, solches Freundes, Rath zu hören! – Felix, der übrigens nichts von der Reise weiß, sondern hier damit überrascht werden soll, muß Ende July nach Berlin zurück! Kämen Sie nun so Ende July nach Moritz, so könnten wir dann mit Ihnen zusammenAnfang August nach Interlaken gehen, und dort noch etwas bleiben, da ich nicht schnell zurückreisen will, um nicht zu jählings wieder in die Hetze zu kommen. Ende August (oder vielmehr in der 3ten Woche des August) will ich wieder hier sein, und dann hoffe ich auch noch Sie hier bei uns zu sehen.
Ich bin jetzt ganz außer mir über Paris, welch ein Jammer ist über diese schöne Stadt gekommen! wie viele Unschuldige, ernste und vortreffliche Menschen werden ganz und gar ruinirt! es ist entsetzlich zu denken. Wo sind Ihre Pariser Verwandten? Doch, Sie sollen mir nicht antworten, Ihre liebe Frau, (oder sollte Diese nicht können, so thut es vielleicht Ihre Schwester) bitte ich darum. Hoffentlich ist Erstere vollkommen auf dem Wege der Besserung! Ich grüße Sie auf das herzlichste, auch Ihre lieben Schwestern.
Erhalten Sie, lieber Freund, mir das Wohlwollen, das mich so wahrhaft beglückt, und zu meinen schönsten Besitzthümern gehört.
Ihre
treu ergeb
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Lazarus, Moritz (916)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 18
Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-055-1
210-213

  Standort/Quelle:*) D-Buh, s: Nachlass Lazarus, II, 310
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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