Baden d. 5 Septbr. 1870.
Liebes Fräulein,
ganz schweigen möchte ich doch nicht auf Ihren lieben Brief, durch den Sie mich so herzlich erfreut haben. Ich war so froh als ich Sie glücklich im Kreise der lieben Ihrigen wußte, und wie günstig in jeder Weise hatte sich Ihre Rückreise gestaltet! Jetzt haben Sie nun schon wieder eine Rückreise hinter sich – ich vermuthe |2| Sie wenigstens wieder in Berlin! was haben Sie gesagt zu unseren Siegen? waren sie nicht großartig, der König von Preußen ein Held den Helden voran. Das ist doch erhebend! freilich das Blutbad war fürchterlich, und ich lebte so ganz unter dem Drucke der Gedanken daran, daß ich erst seit zwei Tagen, wo sich die Aussicht zu baldiger Beendigung eröffnet, mich dem Gefühle der Freude über die Größe der Deutschen |3| etwas mehr hingebe. Es ist mir aber auch durch die letzten Siege ein Theil der entsetzlichen Sorge um Ferdinand genommen, obgleich ich mich keineswegs vollkommen sorglos fühle, denn wir können immerhin noch nicht wissen, wie es mit Paris wird. Eine Freudenbotschaft wurde uns dieser Tage – meine Julie wurde sehr glücklich von einem Knaben entbunden, und ist ganz wohl, nährt sogar selbst. Ich hoffe sehr, liebe |4| Fräulein Brandt, daß ich Sie diesen Winter wieder sehe und höre, möglicherweise komme ich doch ’mal nach Berlin. Wie es wohl mit Ihrem Wiener Engagement geworden?
das hoffe ich auch bald zu erfahren – ich denke doch wohl Eugenie wieder nach Berlin zu schicken. Nehmen Sie meine herzlichsten Grüße, auch die der Kinder, und gehe es Ihnen recht gut, schonen Sie Ihre Stimme, und bleiben Sie ein wenig gut
Ihrer Clara Schumann.
Mit Eckerts, hoffe ich, hat sich Alles wieder ausgeglichen? bitte, grüßen Sie sie Beide – ich schreibe ihr nächstens. Mad. Viardot sah ich in der ganzen Zeit nicht, einen Tag nach Ihrer Abreise besuchte ich sie, seitdem sah ich sie nicht. sie besuchte mich nicht wieder.
[Umschlag:]
Fräulein
Mariane Brandt.
Königl. Preuß. <O>Hof-Opern
Sängerin in
Berlin.
Große Friedrichstraße Nro 11
bei der Frau Witwe Krafft.
fr.
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