Baden d. 25 Septbr 1870.
Lieber Herr Streicher,
haben Sie Dank für Ihren lieben Brief und alle darin enthaltenen guten Wünsche, die mir gerade zu meinem Geburtstage kamen.
Wie sehr hatte ich gehofft Sie Alle bald zu sehen, nun hat sich aber Alles anders gestaltet. Ich erhielt zwar eine erneuete Einladung des Beethov. Comité zum 17ten Dec. |2| konnte Diese jedoch nicht annehmen, da ich schon vor 3 Monaten, wo dies Fest in Wien f. October festgesetzt war, in Hamburg zu selbem Zwecke für d. 16ten Dec. zusagte, und dies nicht rückgängig machen durfte. Der Umstand, daß nun auch der Krieg noch nicht beendet, ließ mich den Entschluß fassen, dieses Jahr nicht nach Wien zu gehen, es ist mir so unheimlich in solch ’ner Zeit so weit von meinen Kindern entfernet zu sein, daher ich denn bis zu Neujahr, wo ich nach England gehe, meinen |3| Wohnort in Berlin nehmen werde, jetzt aber bis Mitte October noch hier bleibe. Sie sind wohl so freundlich dies Ihren lieben Eltern mitzutheilen, und Ihrer Frau Mutter meinen Dank für ihren letzten Brief aus Töplitz zu sagen.
Ihre abermalige Sendung der „Presse“ erhielt ich, war aber durch den Schluß der seinsollenden Rechtfertigung sehr unangenehm berührt, denn Dieser enthält eigentlich eine neue Anklage, die abermals ganz ungerecht ist. Meines Wissens antwortet man stets <>Demjenigen, der an Einen geschrieben hat, und Dieser war |4| Herbeck, also konnte ich doch nicht an das Comité antworten, was noch dazu eine Unhöflichkeit gegen Herbeck gewesen wäre. Ich denke aber es ist am besten, ich schweige darauf, gegen die Mißliebigkeit eines Menschen muß man nicht kämpfen wollen, – nur zu offenbar ist Diese! – Haben Sie aber Gelegenheit privatim mich zu rechtfertigen so thuen Sie es, es wird übrigens nicht nöthig sein, da die Menschen nun gar jetzt, <> Anderes zu denken haben, als solche Kleinigkeiten.
Mein Ferdinand steht vor Paris – er war noch in keiner Schlacht, |5| gebe Gott daß es auch nicht mehr dazu komme!
Sagen Sie doch Ihrer lieben Mutter, daß sie mir von Zeit zu Zeit ein kleines Lebenszeichen giebt – ich habe immer das Bedürfniß von lieben Freunden zu hören, bin ich auch selbst oft genöthigt zum Schweigen durch meine große, angestrengte Thätigkeit.
Von ganzem Herzen grüße ich Sie Alle (auch von Marie soll ich dies) und zeichne mich in wahrer Hochachtung
Ihre
ergeb
Clara Schumann.
|6| P. S. Ich lege doch noch einige Zeilen an Ihre liebe Mutter bei.
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