Kiel, Sonnabend Abends d. 12//3 1842
Sie werden staunen, lieber Herr Avé, denn Sie finden mich nicht auf dem Dampfschiff sondern auf festen sicheren Grunde, in meinem Zimmer. Ich sah so eben das Dampfschiff abfahren mit Schaudern. Nun hören Sie aber vor allen Dingen, wie es mir traurig ergangen ist, seit ich von Hamburg fort bin: Die Fahrt hieher war schon höchst stürmisch und <an>unangenehm, dabei mein Herz voll des Kummers und Sehnsucht nach meinem lieben Mann und Kind. Die Trennung hatte mich so erschüttert, dazu kam noch Erkältung, daß ich mich gestern Mittag legte, und so bis 6 Uhr unter den fürchterlichsten Magenkrämpfen zubrachte; ich stand auf, ließ mich ankleiden, konnte aber weder sitzen noch stehen, mußte mir den Kopf halten lassen, bekam alle Augenblicke Anfälle von Ohnmacht, war mit einem Worte in einem schrecklichen Zustande – wie ein Opferlamm kam ich mir vor, geschmückt mit Blumen. Was blieb also übrig, ich mußte wieder in’s Bett, und ein Herr Dr. Kirchner hielt an das schon versammelte |2| Publikum eine Rede, worin er kund that, daß das Concert nicht stattfinden könnte ect. ect. Sie können Sich nun wohl denken, daß es doch Leute genug giebt, die glauben, es sey eine Caprice von mir gewesen, Schloßbauer sagte es mir sogar selbst, daß es ihm Einige gesagt haben. Was ich leide, kann ich nicht beschreiben. Ich war nun fest entschlossen heute nach Kopenhagen abzureisen, da erhebt sich mit einem Male heute Morgen so ein fürchterlicher Sturm, daß alle Leute sagten, es sey tollkühn bei diesem Wetter zu reisen, der Kapitain des Schiffes rieth es mir sogar ab, da ich ohnehin nicht wohl bin. Ich bin überzeugt ganz im Sinne meines Mannes gehandelt zu haben, indem ich hier blieb – ich habe Verpflichtungen genug mein Leben nicht unvorsichtig in Gefahr zu stürtzen. Um jedoch nicht ganz unnütz die 8 Tage bis zum Abgang des nächsten Schiffes verstreichen zu lassen, hab’ ich mich entschlossen Morgen früh nach Lübeck zu fahren, und dort Concert zu geben. Ich bitte Sie nun recht sehr sogleich Ihrer lieben Familie einige |3| Zeilen zu schreiben, daß sie sich Meiner annehmen möchten, denn (unter uns gesagt) auf Herrmanns Schutz glaube ich nicht bauen zu können. Ich hoffe doch ein Concert bis Mittwoch, Donnerstag zu Stande bringen zu können. Geht es da auch nicht, so verliere ich wahrhaftig all meinen Muth, und gebe Alles auf. Ich bin in einem höchst gereizten Zustand, wie Sie Sich werden denken können, wovon ich aber meinem Manne natürlich Nichts geschrieben habe, um ihn nicht zu ängstigen. Der arme Mann wird so nicht weniger leiden als ich – bei dem Manne thut es sich nur nicht so kund, als bei der Frau.
So seyen Sie denn, sowie Ihre liebe Frau, herzlichst gegrüßt, und wollen Sie mich recht erfreuen, so senden Sie mir einige tröstende Zeilen nach Lübeck.
In aufrichtigster Freundschaft
Ihre
Clara Schumann
NB: Lassen Sie mich wissen, wie mein guter Robert den Tag in Hamburg noch verlebt hat – mir ist, als müßte mein Herz brechen!