Leipzig d. 22ten Juni 1841
Meine liebe Emilie, laß mich Dir fürerst danken für Deinen langen interressanten Brief aus Mailand, auf den ich längst mit Sehnsucht gewartet hatte. Ich wollte Dir nämlich auf Deinen letzten Augsburger Brief nach Mailand schreiben, las aber in den Blättern, Dein Vater sey noch in München – ich konnte mir nicht denken, daß Ihr allein nach Italien reisen würdet, und rieth mir Robert erst noch eine Nachricht von Euch, ob Ihr auch wirklich in Mailand seyd, abzuwarten. Sie kam, und ich freute mich nach so langer Zeit wieder einmal bestimmt zu wissen wo Ihr seyd; es ist ein gar garstiges Gefühl nicht zu wissen wo seine intimsten Freunde suchen. Du hast am 14ten schon Antwort von mir erwartet, doch wird Dir diese Unmöglichkeit einleuchten, wenn ich Dir sage, daß ich erst am 15ten den Brief erhielt – so lange hat er gewiß in Augsburg gelegen. Ich bin also unschuldig! – Deine Reisebeschreibung hat besonders meinen Mann sehr interressirt, der ganz dieselbe Route gemacht, und noch mit freudestrahlendem Blick davon spricht. Ich beneidete Euch wohl darum, wüßte ich überhaupt, ob ich in meinem Glück irgend Jemand beneiden könnte! herrlich sind solche Reisen, und prächtig müßte es sein sie mit meinem Robert einmal machen zu können, nur glaube ich, würde mir die Angst viel zu schaffen machen, mir schaudert manchmal schon bei dem Gedanken an die sächsische Schweiz, die wir binnen jetzt und 14 Tagen zu besuchen denken. Beinah wären wir nach Hamburg gereist! ich bekam vor einigen Tagen von Harriet eine höchst liebenswürdige Einladung zum Musikfest am 2ten July hinzukommen, ihr Bruder Charles böte uns durch sie einige Zimmer in seinem Hause an, auch wäre sie von der musikalischen Section beauftragt, uns als Ehrengäste und zu allen stattfindenden Festlichkeiten einzuladen. Das war lockend, Robert kennt Hamburg noch nicht, auch hatte der Arzt nichts dagegen, ich solle in Gottes Namen reisen, doch hat die ganze Sache Manches auch wider sich. Dort in so einer vornehmen Familie zu wohnen, würde Robert sehr geniren, im Gasthof ist es bei solcher Gelegenheit noch viel theuerer als gewöhnlich, die Musiker haben alle so viel zu thuen, und sind so zerstreut, daß kein vernünftiges Wort mit ihnen zu reden ist, doch dieß Alles ungeachtet, so bin ich doch schon zu ängstlich mich so weit vom Haus zu entfernen; passire mir etwas, welche Vorwürfe machte ich mir dann – auf dem Dampfschiff muß man klettern in’s Boot hinein pp. am Ende <> würde mir gar übel, und ist es auch nur die Elbe – mit einem Worte, ich glaube es ist besser, wir ersparen uns dies, bis auf nächsten Winter, wo wir schon längst den Plan hatten hinzureisen.
|2| Was habt Ihr denn nun für Pläne? Ihr bleibt den ganzen Sommer in Mailand? es thut mir leid, daß es Euch nicht so sehr dort gefällt, und besonders dauert mich Deine arme Mutter, die nun wieder wie unter Hottentotten sitzt, mit denen sie kein Wort sprechen kann! Euch ist nun gewiß das Italienisch ganz geläufig, auch Linchen denke ich mir fleißig plaudern – diese Sprachkenntnisse sind etwas, um das ich Euch beneiden könnte! –
In der Pixis habt Ihr, denke ich, eine angenehme Bekanntschaft gemacht, wenigstens fand man sie hier sehr liebenswürdig. Die Novello wird nun wohl dahinter gekommen sein, wie viel ihr noch fehlt. Sind ihre Eltern bei ihr? – Mit der Lutzer haben sich die Italiener doch etwas übereilt! sie ist keine Gefühlssängerin, hat aber ihre großen Vorzüge; ich habe noch keine Sängerin wieder gehört, die solche Gewandtheit in Col¬loraturen besäße, und Alles so glockenrein dabei sänge als sie. Terzen, Quarten, Quinten, alles ist ihr einerlei, sie macht’s, ohne daß man die ge¬ringsten Schwierigkeiten merkte, und wie herrlich ist ihr Triller! – Ihre Figur ist nun freilich eben nicht sehr für die Bühne geeignet, dieß mag ihr wohl auch die Gunst des Publikums entzogen haben – mir ist sie auf der Bühne fürchterlich plump und ungeschickt vorgekommen – ich habe immer die Augen zugedrückt, und nur gehört, das aber kann ich sagen, mit großem Vergnügen. – Von Pauline erzählte mir David, was mir sehr leid that, daß sie an ihrer Stimme bedeutend verloren habe. Die deutsche Oper macht aber dießmal viel Glück in London; von dem Succés der Rachel werdet Ihr schon wissen, obgleich mir David sagte, daß Vieles übertrieben werde in den Journalen. David konnte keine besondren Geschäffte machen, er kam zu spät nach London. Liszt kommt im November bestimmt hierher, um nach Petersburg zu gehen. Mendelssohn reist Ende dieses Monats nach Berlin um dort ein Jahr zu bleiben – man hat ihm dort so lange zugesetzt bis er nicht mehr umhin konnte das Engagement anzunehmen, er hat sich jedoch nur auf ein Jahr verpflichtet, und will dann wieder hierher kommen, auch wird er nächsten Winter einige Concerte hier dirigiren – David die Uebrigen. Die Shaw wird wieder erwartet, doch ist’s noch unentschieden; die Schloß ist vor 4 Wochen mit schwerem Herzen abgereist – ich hörte vor einigen Tagen, daß sie ein Engagement in Weimar auf dem Theater angenommen, um sich eine sichere Existenz zu schaffen, die sie als Concertsängerin, und wäre sie noch so ausgezeichnet, nie erlangen kann. Sie dauert mich, denn sie fühlt selbst, wie wenig sie für die Bühne paßt.
Was denkt Ihr den nächsten Winter vorzunehmen? |3| Von Henriette bekam ich Nachricht, daß Dein Vater in Stuttgard ist, und nach England und Holland reisen will. Wie weit kommt Ihr da wieder aus einander! –
Mein Mann grüßt Euch freundlichst! er dankt für die Gratulation. Wir waren an diesem Tag einmal wieder so recht innerlich vergnügt. Ich beschenkte meinen Robert mit vielen Blumen, und sonst Kleinigkeiten. Mir war ganz eigen feierlich an diesem Tage zu Muthe – ich dankte Gott, der uns so glücklich diesen Tag erleben ließ.
D. 24ten am Johannisfest.
Heute will ich beschließen! wir wollen, wenn sich das Wetter gut hält, Uebermorgen nach der sächsischen Schweiz, und da giebt es dann doch Manches noch zu thuen, obgleich wir höchstens 8 Tage weg bleiben.
Vorgestern war Thorwaldsen hier, er blieb jedoch so kurze Zeit, daß ich ihn nicht zu sehen bekommen konnte.
Nun, liebe beste Emilie, sage ich Dir Adieu! schreibe mir ja recht sehr bald wieder – vielleicht sagt Dir mein nächster Brief schon, ob ein Knäblein oder Mägdlein uns beglückt. Ich wünsche mir Ersteres besonders, doch will ich ein Mädchen gewiß mit nicht weniger Liebe empfangen. Du solltest mich sehen jetzt – ich glaube Du schämtest Dich, so rund ist meine Gestalt, ach, und wie wird das noch werden die letzten Wochen! wäre nur Alles überstanden! schrecklich wär es doch, nähme mich Gott jetzt von der Welt in der ich so glücklich bin, und meinen Robert sollte ich verlassen müssen! nun, der Himmel gebe seinen Segen. Von der Hitze stehe ich viel aus, das Gehen wird mir sauer, doch sage ich mit dem <Sch> Spruchwort „Ende gut, Alles gut.“
Elisen meinen innigen Kuß! wie geht es mit dem Gesang? sie soll aber ja die gute deutsche Musik nicht ganz vergessen, die Italienische ist so flach, daß mir recht um Elise bangt! sie hatte gerade zu dieser Musik so viel Neigung immer! – Sie nehme mir’s nicht übel, ich liebe sie so von ganzem Herzen, daß ich ihr Alles Gute herabwünsche.
Lachen mußte ich doch über den König von Bayern; der war pfiffig, Ihr aber auch – fatal war’s aber doch. Am Anfang verstand ich’s nicht, doch erklärte mir mein Mann Alles.
Tausend Grüße, Linchen, Deiner lieben Mutter, und eine herzliche Umarmung D[ir von]
Deiner alten
Clara.
|4| Signora
Signora Emilie List.
Milano
Corsia dei
Servi 602.
secondo piano.
Fr.