23.01.2024

Briefe



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ID: 8429
Geschrieben am: Dienstag 26.08.1851
 

Düsseldorf d. 26 Aug 1851

Meine liebe Bertha,
was werdet Ihr wohl von mir gedacht haben, daß ich so lange auf Eure freundlichen Sendungen geschwiegen! eine Undankbare habt Ihr mich gewiß gescholten, und doch war ich es im Herzen nicht, oft sprechen wir von Euch und Eurer uns immer und immer bewiesenen großen Freundschaft. Vorigen Winter war ich gar sehr beschäfftigt immer, denn bei den Concerten und Aufführungen war ich doch mehr oder weniger immer <>betheiligt, im Frühjahr aber und einen Theil dieses Sommers war ich so unwohl (ich litt an fortwährender Uebelkeit) daß ich weder spielen noch<> schreiben konnte, und als es besser mit mir wurde reisten wir in die französische Schweiz und vor 14<> Tagen nach Belgien, von wo wir erst vorgestern zurückgekehrt. Du siehst daraus, daß ich wirklich noch zu keiner rechten Ruhe gekommen bin, und dieß reinigt mich vielleicht in Deinen Augen einigermaßen von meiner Schuld! – So nehmt denn, Du und Dein lieber Mann, auch heute noch freundlich unseren herzlichen Dank an, und erhaltet uns Eure Liebe! recht liebenswürdig wäre es von Dir, schriebst Du mir einmal einige Zeilen, wie es Euch geht, was Deine Kinder machen, was Ihr Musikalisches treibt, kurz, Alles was Euch und Euer geistiges und häusliches Leben betrifft – so lange ist’s, daß wir Nichts von Euch wissen! hattet Ihr denn keine Lust uns einmal hier zu besuchen und dabei den reizenden Rhein zu bereisen? er ist doch gar lieblich! ich sah ihn dieß Jahr zum ersten Male, und mit wahrem Entzücken, das sich freilich noch bei weitem steigerte, als ich in die herrliche Schweitz kam, den wundervollen Genfer See, Vevey, Lausanne, Genf und das Chamonny-Thal sah, wo wir 2 Tage lang den Mont blanc in herrlichster Klarheit vor uns sahen. Hast Du nie diese Reise gemacht, so berede Deinen Mann doch einmal dazu, es ist doch gar <>etwas Erquickendes, für Geist und Herz solch eine Natur! vor Allem hat Vevey mich bezaubert – hier muß man doch immer nur ausrufen „wie schön ist’s doch auf der Welt!“ wenn ich nur dahin noch einmal in meinem Leben käme! Auch Belgien (Antwerpen und Brüssel) bot uns so Manches des Interressanten, und so können wir jetzt eine Zeit lang zehren an Allem was wir gesehen! – Wie fleißig mein Robert immer gewesen habt <>Ihr vielleicht gehört? von seiner neuen Symphonie, die er vorigen Winter zwei Mal, mit großem Enthusiasmus aufgenommen, aufführte; ferner von seinem neuen Liederspiel „Der Rose Pilgerfahrt“ – einer reizenden Dichtung und einer Composition voll des jugendlichsten Feuer und wieder der zartesten Gefühlsausdrücke! Du wunderst Dich vielleicht, daß ich selbst dieß sage, doch, ich thue es auch nur zu Euch, den theilnehmenden Freunden seiner Musen! – Bald gehen unsere Concerte wieder an; leider muß ich mich jetzt bis Neujahr sehr passiv dabei verhalten, indem ich Ende November meine Niederkunft erwarte, doch, mit Gottes Hülfe hoffe ich im Neuen Jahr mit neuen Kräfften an die Musik zu gehen! –
Für heute, meine theuere Bertha, sey mir nur noch herzlichst umarmt! Robert trägt mir das Schönste an Euch Beide auf, Elise küßt dem lieben Pathen die Hand, und auch von mir sage Deinem Manne recht viel des Freundlichen! –
Behalte lieb und schreibe recht bald
Deiner
Euch wahrhaft ergebenen
Clara Schumann.

Wie geht es Deiner Mutter und Schwester? Spielt Ottilie fleißig?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Voigt, Bertha (3059)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
127ff.

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh, s: 80.5076/1; D-Zsch, Abschr. in Abschr.-Mappe;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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