Heidelberg d. 16 Septbr. 56.
Lieber Freund,
erst gestern empfing ich Ihre theilnehmenden Zeilen – wohl wußte ich, <durch> daß nur Außerordentliches Sie abhalten konnte mir eher zu schreiben! wie betrübt es mich, daß Ihre Gesundheit es war, die Sie hinderte! Sie haben Sich gewiß zu sehr mit Stundengeben angestrengt? übrigens beunruhigen Sie Sich ja nicht wegen des augenblicklich ungünstigen Erfolg des Seebades, ich habe mehrmals schon dieselbe Erfahrung gemacht, und jedes Mal erst den darauffolgenden Winter die gute Wirkung empfunden. Gott gebe Ihnen Solche!
|2| Haben Sie herzlichsten Dank für Ihre innigen Worte! Sie kannten Ihn, Einen der Herrlichsten, Sie wissen, was ich verlor! ach, lieber Freund, ich wüßte nicht, wie ich durch’s Leben ginge, hätte ich nicht den Trost Ihn noch gesehen zu haben, von Ihm noch mehrmals erkannt worden zu sein, noch ein Mal seine zärtliche Umarmung empfunden zu haben, mit seinem milden, liebevollen Blicke, den man ja nie vergißt, sah man ihn ein Mal. Was aber litt er, unbeschreiblich war es, nur zwei Tage sah ich es mit an, mit blutendem Herzen, und mußte<n> Gott um seine Erlösung bitten, und als er nun todt, da ging aller Schmerz auf |3| im Dank zu Gott, daß Ihm Friede geworden, und so trug ich das Furchtbare mit einer Ruhe und Fassung, wie ich es nie für möglich gehalten. Aber jetzt, mit jedem Tage erneuert sich der Schmerz! es ist doch ein unbeschreibliches Weh, sein Liebstes begraben zu haben, nie mehr zu sehen! das Herz so voll Liebe, und Nichts Liebes mehr Ihm thuen zu können! ich will Ihnen aber nicht klagen – ich weiß Sie fühlen tief mein trauriges Geschick! –
Recht haben Sie, Joachim und Johannes waren mir tröstend zur Seite, und Johannes, das wissen Sie ja, ist es fortwährend, nun seit 2 ½ Jahren unermüdet! wie danke ich dem Himmel für diesen Freund!
|4| Von meinen Kindern kann ich Ihnen Gutes sagen, sie sind gesund, und die Aeltesten fangen schon an mir Freude zu machen durch geistliches Entwickeln, aber wie oft erfüllt mich ihr Anblick mit bitterstem Schmerze, daß sie solchen Vater verlieren mußten, und kaum Ihn kannten! <das immer dem Tode will der Linderung [?]> Verzeihen Sie, Johannes spielt eben Herrliches von Bach, und macht mir den Kopf dadurch verwirrt! Er grüßt Sie herzlich, will heute noch an Sie schreiben. Wir haben jetzt eine Reise zu meiner Erholung gemacht, waren in der Schweiz, doch selbst die wunderbarste Natur kann nur auf Augenblicke erheitern, wo solche Wunde geschlagen, wie in meinem Herzen, und dann waren wir immer ohne Clavier, das empfand ich gar zu schmerzlich! –
Nun, leben Sie wohl! Joh. sieht Sie bald! grüßen Sie die liebe Frau, und lassen Sie Sich warm die Hand drücken.
Gott gebe Ihnen bald bessere Gesundheit.
Wie immer in herzlichster Freundschaft Ihre Clara Schumann