Dresden d. 8 März 1859.
Jetzt, lieber Joachim, werden Sie wohl wieder in Ruhe in Hannover sein, und nun treffen Sie auch meine Zeilen. Ich hätte auf Ihren letzten Brief am liebsten gleich wieder geschrieben, doch wurde ich abgehalten, und das war auch sehr gut, denn das Herz war mir übervoll. Ehe ich zu Weiterem gehe, muß ich mich aber von einem Verdacht reinigen, in dem Sie mich zu haben scheinen, was mich eigentlich wundert, da Sie mich doch besser kennen müßten. Sie entschuldigen Sich so quasi, daß Sie mir so unbefangen über Ihre Erlebnisse mit Joh. geschrieben – glauben Sie, weil er mich tief gekränkt, das könnte meine Theilnahme auch nur im geringsten schmälern? ich hege sie im Stillen nach wie vor, in dem Grade sie Ihm aber zu zeigen, wie früher, das läßt mein weibliches Zartgefühl nicht mehr zu, und daher kann ich auch nicht seinetwegen da oder dort hin kommen, ehe ich nicht von seiner Seite erst ein Mal die Absicht erkannt, sein Unrecht wieder gut zu machen. Und nur dies wollte ich Ihnen in meinem letzten Briefe begreiflich machen, und war befremdet, daß es dessen bedurfte. Ich freue mich sehr, bald von Ihnen zu hören, wie es Ihnen in Utrecht ergangen? gewiß sehr außerordentlich! ich kann mir denken, wie man Sie auf Händen getragen. Bitte, schreiben Sie mir bald darüber. Was ich aber mit England beginne, weiß ich nicht. Ich muß Ihnen offen bekennen, daß ich den Gedanken, dorthin zu gehen, nur hatte in der Voraussetzung mit Ihnen zu musicieren, und ich hatte geglaubt, auch Sie hätten ihn. Aus Ihren Zeilen aber ersah ich zu meiner großen Betrübniß, daß dies gar nicht der Fall. Ich hatte gehofft, wir würden zusammen dahin gehen, Sie theilen mir einfach mit, daß Sie am 15ten gehen, daß Sie ferner nicht bei Ella spielen, diese Aussicht mir also auch genommen, daß Sie Beethoven-Abende geben, also auch wieder an ein vereinigtes Musicieren nicht dachten! – Kurz, ich hatte einmal wieder zu warm aufgefaßt, an einem Lieblingsgedanken zu fest gehangen! – Was soll ich nun thuen? nach England gehen und mit Andern musicieren bei Ella? nein, das könnte ich nicht übers Herz bringen, wenn Sie da sind, und nicht einmal jetzt kann ich’s, wo ich’s vielleicht aus Stolz können sollte! – Eigene Concerte geben – mit Wem? Sie verfolgen Ihren eigenen Zweck und brauchen mich nicht! gehe ich dahin, bin ich Ihnen am Ende gar noch ein Hemmniß! Sie glauben mir dann Rücksichten schuldig zu sein, kurz, ich bin in ganz peinlicher Lage. Bin ich allein in England, nun, so mache ich Geschäffte so gut ich’s kann, weiß ich Sie aber da, und soll nicht mit Ihnen musicieren können überall, so halte ich es nicht aus, und von Ihnen dann nicht den gleichen Wunsch zu sehen würde mich tief kränken. – Es ist mir recht hart, daß ich Sie nicht einmal sprechen kann! es sieht auf dem Papier doch alles anders aus, und Sie mißverstehen mich vielleicht wieder. Gestern gab ich hier ein Concert, es war sehr voll – aber Sie fehlten, wie so oft! Ich werde wahrscheinlich noch Eines geben, dann in Leipzig der Devrient in ihrem Concerte spielen. Darnach gehe ich nach Prag, wo ich am 23 März mein erstes Concert habe. Auch in Brünn werde ich noch einmal spielen. Es wird mir sehr schwer noch einmal umzukehren, aber, es muß sein. Bitte, denken Sie am 24ten einmal im Stillen an mich, und daß ich mit ganzer Seele bei Euch bin, und, wollen Sie mir die Freude machen, so schreiben Sie mir unbefangen über alle ihre Erlebnisse mit Joh. – ich empfange sie warm, wie immer. Stockhausen habe ich mehrmals gesprochen, er war einige Abende bei uns recht gemüthlich. Ich sollte mit Ihm nach Rußland, hätte mich auch wohl entschlossen, wenn ich nicht schon zu sehr abgespannt wäre und Manches dagegen war. Nun ist er aber selbst so unwohl geworden, daß er die Reise nicht unternehmen kann. Er singt nächsten Montag hier in „Sängers Fluch“ und Mittwoch d. 16 geben wir zusammen noch ein Concert hier. So lange also bin ich bestimmt hier, wenn Sie mir schreiben wollen, mich erfreuen! Ich schriebe so Manches gern noch, aber ich leide seit 2 Tagen sehr an Zahnschmerz, und will jetzt zum Zahnarzt. Bendemanns grüßen Sie Beide sehr – wir sprechen sehr oft von Ihnen, an Sie denken thue ich noch viel öfter.
Herzlichsten Gruß!
Ihre
getreue
Cl. Sch.