Gent d. 20 Maerz 1861
Liebe Frau Hübner,
es drängt mich Ihnen durch Ihren lieben Sohn selbst einen Gruß von hier aus zu senden, und Ihnen zu sagen, daß Derselbe sehr munter, und sich Unserer sehr liebenswürdig angenommen hat. Ohne Ihn wären wir hier wohl ganz verlassen gewesen! Sie haben keinen Begriff wie unartig, ungebildet die Meisten der Herren in den Provinzstädten sind, die Damen nun gar, die sprechen kein Wort. Und welche Concerte! welches Chaos – eine Erniedrigung ist es wahrhaftig, zu Solchem noch mit guter Musik beizutragen. Was muß ein Mensch mit deutschem Herzen und deutscher Gesinnung hier ertragen!!!
Ich hörte von Ihrem Sohne, daß es Ihnen Allen, auch der lieben Fanny recht gut gehe, was mich herzlich freut. Recht schmerzlich berührt hat mich der Tod des armen Rietschel – es ist doch zu hart inmitten seiner schönsten Arbeit so hinweggerissen zu werden, und außerdem noch aus so glücklichem Familienkreise. Und der arme Felix Schadow wie leidet Dieser! Ich bin nur froh, daß Lyda etwas ruhiger ist, im Anfang litt sie auch körperlich zusehends darunter.
Bald hoffe ich den Fuß wieder auf deutschen Boden zu setzen – mit heißem Sehnen sehe ich dem Momente entgegen; freilich, ganz nahe ist er noch nicht, da ich Ende dieser Woche mein erstes Concert in Brüssel gebe. In den Haupt-Provinzstädten, Antwerpen, Lüttich, Brügge, Mons, hier, ect. habe ich schon gespielt. Sie zürnen mir doch nicht über das lange Geschreibsel, mir war aber ein Viertel Stündchen recht heimlich jetzt.
Ihr Sohn holt mich eben noch zu einem Gange in die Stadt ab, und so sage ich Ihnen, Ihrem lieben Manne, und der guten Fanny ein recht herzliches Lebewohl.
Wie immer in treuer Ergebenheit
Ihre
Clara Schumann.
Marie grüßt Sie Alle freundlichst.
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