23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 9292
Geschrieben am: Sonntag 06.04.1862
 

Paris d. 6 April 62 Sonntag Abend.
Nun kann ich Dir, lieber Johannes auch den glücklichen Erfolg meines Spiel’s heute im Conservatoir melden; das Es d. Concert von Beeth. ist mir sehr gelungen, und gab es einen Beifallssturm. Es wurde schön begleitet, und wie prächtig waren all die Musiker gegen mich! – Außer in Wien habe ich solche Aufnahme nirgends gefunden – daß mir das wieder eine frische Anregung ist, glaubst Du gewiß. Schätzen wir auch im Grunde genommen das Publicum gering, so hat eine so lebendige Theilnahme für den Augenblick, wo man da sitzt, ┌doch┐ etwas sehr animirendes. Dienstag ist nun mein 3tes Concert – ob das Letzte, weiß ich noch nicht, das Wetter ist gar so sommerlich, die Stickluft in den kleinen Sälen unerträglich, und wenn’s draußen grünt, will es |2| Einen in diesem Concerttreiben gar nicht mehr behagen. Bleiben werde ich aber wohl jedenfalls noch etwas, da ich täglich Stunden gebe, auch vielleicht einige Soireen noch kommen, die mir mit 20 Louisd’or honorirt werden. Ich muß doch auch Manches noch sehen, was mir hoffentlich in der Osterwoche gelingt; bis jetzt war es nicht möglich, denn ich bin enorm beschäftigt, oft so, daß ich kaum die Zeit zum 2ten Frühstück herausfinden kann. Heute hat man mich den Abend in Ruhe gelassen, da athme ich ’mal wieder frey. Ich sollte nach London kommen, habe es aber entschieden abgeschrieben; <wie au[?]> zwar glaube ich nicht, daß mir der Aufenthalt hier so viel Ueberschuß bringt, um den ganzen Sommer auszukommen, ich will aber ’mal leichtsinnig sein! hier werde ich geehrt, wie man nur einen Künstler ehren kann, warum soll ich nach London, wo man mich nicht viel höher schätzt, als jeden Arbeiter! dort soll ich die |3| Kritik bestechen, hier brauche ich keinen Schritt zu thuen, sie kommen mir entgegen – nein, ich kann es nicht, will mir lieber meine Kräffte aufsparen. Stockhausen schrieb mir von Reisen in den Provinzstädten, dazu ist aber die Jahreszeit schon zu sehr vorgerückt.
Joachim hat Dir wohl jetzt geschrieben? er wollte es. Die Königin hat Ihm schreiben lassen, er möge v. 21 – 30 Mai nach Hannover kommen, um dort <zu> den König zu seinem Geburtstag zu überraschen, er werde Ihm das doch nicht abschlagen; ect. ect. Natürlich geht er hin, aber dann gleich wieder nach London zurück. Ich bin sehr begierig, was er nun nächsten Winter vornehmen wird? wo wird er bleiben? bei Dir in Hamburg vielleicht?
Von Deinem Oldenburger Aufenthalt wüßte ich gern mehr! ob Du bei Hofe auch musicirt hast? und auch, ob Du pecuniär zufrieden warest? Hast Du auch in dem Concert wo Du Deine Serenade dirigiert (doch hoffentlich Selbst?) gespielt? und was? wie ging es Dietrich’s? beantworte mir, |4| bitte, diese Fragen, siehe sie Dir noch einmal an, wenn Du schreibst. Wie sehr bedauere ich das Leiden Deiner Mutter, ich fürchte so sehr, sie behält doch eine Schwäche, bei so alten Leuten ist es immer schlimm, wenn sie Etwas brechen. Schreibe mir, wie es jetzt geht.
Es wird Dich freuen zu hören, daß mir Mad. Erard wieder einen Flügel geschenkt, den ich mir, wenn ich hier fortgehe, aussuchen soll. Wie nöthig war mir ein Solcher! <Flügel>
Die Var. Lieder u Duette schicke mir nach Berlin, das [sic] ich gleich freundlichen Empfang finde. Ich werde von hier (vielleicht über Brüssel) nach Berlin zurück gehen, habe dort wieder Allerlei mit den Kindern zu ordnen. Den Brief über Deine Serenade <Br> in Ney York lege doch auch bei, der interressirt mich ja sehr.
Laß mich recht bald wieder von Dir hören, auch ’mal, was Du arbeitest? – Möge der schöne Frühling die Nachtigallen vor Deinen Fenstern recht schöne Klänge aus Dir locken, und Du dabei, und überhaupt, Meiner zuweilen gedenken, die in immer alter Treue bleibt Deine Clara.
◊1Grüße Deinen Aeltern, auch Dir u. Ihnen von Marien.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Paris
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamm bei Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
826ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11014-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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