Baden d. 12 Septbr. 1866
Liebster Joachim,
fürerst will ich diese geschäftigen Zeilen doch nicht beginnen ohne zu des kleinen Puzzi Geburtstag recht herzlich zu gratulieren – geben Sie dem lieben Buben einen Kuß v. mir. Dieser Brief gilt für Keinen – ich hätte Ihnen längst wieder einmal geschrieben, hätte ich nicht eine Arbeit vor gehabt, die durch zwei Monate hindurch meine anstrengendste Thätigkeit erforderte <hätte> Ich hatte mein Tagebuch seit 6 Jahren nicht ausgeführt und dies wollte ich nachholen. Gestern bin ich damit fertig geworden, und heute ist mein Erstes diese Zeilen an Sie, die Sie hoffentlich noch in Harzburg treffen. Ich erhielt nämlich vor einigen Wochen ein Anerbieten von Chappell auf 3–4 Wochen in die Provinzen, 3 Concerte die Woche, Jedes zu 15 Guineen ect. Ich schrieb darauf Chappell daß ich nicht unter 20 Guineen und alle Kosten-Tragung könne, darauf erhielt ich beifolgenden Brief von ihm, und habe nun nach 8 tägigem Kampfe geantwortet, kann mich aber nicht entschließen meine Antwort abzuschicken, ohne Ihre Meinung darüber gehört zu haben. Ich finde die Bedingungen für die große Anstrengung so gering, finden Sie dies nicht? ich weiß wohl daß Sie mehr zu beanspruchen volles Recht haben, doch gerade dem Unternehmen gegenüber möchte ich mir auch nichts vergeben. Schreiben Sie mir Ihre ganz offene Meinung, natürlich erfährt Chappell nie davon, und aber bitte liebster Joachim gleich, denn Chappell wartet auf Antwort, und leider habe ich schon so lange gezögert. Johannes ist seit 14 Tagen hier, und hat ein prachvolles deutsches Requiem gemacht – das wird Ihnen gefallen. Auch hat er sein C Moll Streichquartett vollendet. Sagen Sie ja ein Wort, wie es Ihrer theueren Ursi geht?
Mit 1000 Grüßen an Sie Beide
Ihre
alte
Cl. Sch.
Bitte Antwort augenblicklich, ich bin in großer Sorge weil ich schon so lange gezögert.
Eiligst.
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