Frankfurth d. 26 Dec. 1867.
Beiliegendes Briefchen wird Ihnen, liebe gute Betty, zeigen, wie lange Dasselbe in meiner Brieftasche geruht! Marie wollte mit schreiben, kam aber nicht dazu (sie ist gar so viel immer in Anspruch genommen), und so lag es bis jetzt, und Sie mußten denken, ich sey recht nachlässig und undankbar! Ihr gestern empfangener Brief mahnt mich aber so sehr, und ich warte Mariens Musestunde [sic] nicht mehr ab, sondern sende Ihnen jetzt augenblicklich meinen innigsten Dank für Ihren lieben Brief, und das Geschenk, welches Sie mir wieder so freundlich zugedacht. |2| Ich habe Frl. Leser, bei der wir diesmal leider nicht das Fest gefeyert, gebeten, mir die Leuchter gleich hierher zu schicken. Sie beschämen mich aber ganz, liebste Betty! ich weiß nicht, wodurch ich Ihnen alle Liebe und Güte vergelten soll? aber, ich erkenne sie, das glauben Sie mir.
Ich hatte diesmal bestimmt das Fest hier zu feyern, da Frau Feidel hierher gezogen war für den Winter, Juliens halber, und hoffte somit <das> wenigstens Marie, Elise und Julie um mich zu haben, es kam aber anders, und wurde uns das Fest recht getrübt. Julie war nämlich im October auf Anrathen der Aerzte nach Divonne bei Genf gereist um dort gute Luft zu genießen, und etwas Wassercur zu gebrauchen. |3| Es war ihr erst sehr gut bekommen, aber gerade, als sie sich zur Abreise hierher rüstete, um das Fest mit uns zu feyern, wurde sie so unwohl, daß sie dort bleiben mußte, und nicht eher reisen kann, als bis sie wieder ganz hergestellt. Sie können denken, welche Täuschung und welcher Schmerz uns dies war! dazu kam auch noch, daß mein zweiter Sohn von Berlin gekommen war, der Julie 1 1/2 Jahr nicht gesehen, und in wenig Tagen zurück muß. Zum Glück ist Julie mit Frau Schlumberger die sie auf das liebevollste hegt und pflegt.
Von mir kann ich Ihnen insoweit Gutes sagen, als ich überall die freundlichste Aufnahme gefunden habe, jedoch bin ich sehr ermüdet, und muß doch schon wieder für England rüsten, wo ich am 27ten Januar zum ersten |4| Male auftrete. Vorher gehen wir nach Belgien, und zwar schon von hier am 7ten Januar. Da giebt es denn wieder viel zu thuen! ach, könnten wir nach dem Süden, dem lieben Wien! Sie wissen es ja, warum ich diesen Winter nicht kann, und müssen doch selbst sagen, daß es gut war, denn es wären doch zu viel Clavierspieler auf einmal gewesen.
Ich werde zum Schluß gemahnt, und sage Ihnen daher Adieu, obgleich ich Ihnen gern noch Manches erzählte! nun, im Sommer, nicht wahr, liebe Betty? –
Unsere Adresse ist immer bei Frl. Leser, bin ich auch nicht dort, so weiß sie immer meine sicheren Adressen.
Marie grüßt Sie auf das Herzlichste und ich bitte auch die lieben Ihrigen von mir sehr zu grüßen.
Wie immer Ihre Ihnen von ganzem Herzen ergeb
Clara Schumann
Für das neue Jahr unsere schönsten Wünsche!