23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 9784
Geschrieben am: Dienstag 05.05.1868
 

Carlsbad d. 5 Mai 1868.
Im Königstein.
Lieber Johannes,
Dein Geburtstag rückt heran, an dem ich nie gefehlt – auch diesmal möchte ich es nicht, denn, meine Wünsche für Dein Wohl bleiben ja immer Dieselben. Der Schluß des alten Jahres brachte Dir eine so schöne Genugthuung in der allgemeinen Anerkennung Deines Requiem, recht zur großen Freude aller Deiner Freunde – möchten Dir solcher Tage Viele beschieden sein!
Ich hoffe, daß die 2te Aufführung Deinen Wünschen entsprochen. – Die Orgel |2| wirst Du wohl zuweilen ungern vermißt haben, aber sonst war gewiß wieder Alles gelungen! ich denke mir Dich jetzt in der Vorbereitung des Werkes zum Drucke.
Du frugst mich neulich in Bremen, ob Du Herrn Schubring die Variationen von meinem Manne geben dürfest – ich konnte, da Du es in seinem Beyseyn thatest, nicht unbedingt „Nein“ sagen, aber ich denke, Du wirst meine Antwort verstanden und die Schenkung unterlassen haben. Du weisst, die Variationen sind uns ein trauriges, aber heiliges mächtniß – gab ich sie Dir, so geschah es in der Voraussetzung, (die mir dann Dein Versprechen bestädtigte) daß Du nie irgend einen Gebrauch davon |3| machen würdest. Nicht wahr, Du wirst aus Pietät gegen den Verstorbenen dies nicht thuen? Wenn Herr Schubring darüber nachdenkt, und das Herz auf dem rechten Flecke hat, so wird er meine Verneinung gerechtfertigt finden. Ich muß so oft an die Sache denken, und immer überkömmt mich dann der Unmuth – Auch die symph. Etüden bitte ich Dich Niemandem zu geben; ich will sie nicht drucken lassen, es ist gegen mein Gefühl so quasi noch ein Geschäft damit zu machen.
Mit den Sonaten-Sätzen war es ein Anderes, da war es von besonderem Interresse für den Musiker einen Ueberblick des Ganzen zu gewinnen, wie <z> es zuvor im Componisten lebte. Bitte theile das Rieter, der mich darum bat, mit.
|4| Für den Flügel von Robert habe ich einen guten Platz gefunden, aber erst zum Herbste, und zwar hat mich Elise sehr darum gebeten, da sie ein schönes großes Zimmer hat. Ich theile es dann später Heinz mit (derselbe hat wohl die Kiste noch?) wenn er es schicken kann, wenn Du es ihm nur einstweilen sagen willst.
Wir erleben hier den 3ten Frühling! in England vor 8 Wochen die herrlichste Blüthe, dann vor 4 Wochen in Deutschland, jetzt hier im Beginn – seit einigen Tagen dazu das schönste Wetter, daß der Wald ordentlich duftet.
Ich habe mir neulich ’mal den Rhein wieder angesehen, aber <woh> werde wohl nie mehr vom Schwarzwald wegfinden, ich meine, ich würde vergehen vor Heimweh darnach, sollte ich da fort! –
Nun lebe vergnügt und schaffe frisch darauf los den Musikanten zur Freude! – Deine Clara

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Karlsbad
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1096ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11020-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.